20.10.2014

Gelbbrauen-Laubsänger - jetzt auch im IKEA-Biotop

Hallo zusammen!

Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus)
Eines von 2 beringten Ex. am 19.10.2014 im IKEA-Biotop.
Erster Nachweis dieser Art für das Biotop!
2014 scheint das Jahr der Seltenheiten zu werden. Nach dem Fang des Gelbbrauen-Laubsängers auf unserer Vergleichsfläche "Kleins Garten" in Biringen konnte diese Art nun auch endlich im IKEA-Biotop gefangen und beringt werden, und das gleich ZWEIMAL an einem Tag (13:00 Uhr bzw. 17:30 Uhr). Der Gelbbrauen-Laubsänger ist damit die 112. von uns im IKEA-Biotop beringte Art und die 173. Art, die für das Gebiet insgesamt nachgewiesen ist.



Selten / häufig - was denn jetzt?

Aktuelle Verbreitung der Meldungen von
Gelbbrauen-LS in Deutschland für 2014
(Quelle: ornitho.de)
So schnell kann's gehen. Da wartet man über 5 Jahre auf den ersten Fang dieser Art und dann plötzlich sind es 3 Fänge in 3 Wochen. Dies zeigt, dass eine unserer Vermutungen sich zu bewahrheiten scheint: Der Gelbbrauen-Laubsänger ist im Saarland viel häufiger, als es den Anschein hat. Einzig der Nachweis der Art scheint schwer zu fallen.
Im Feld sind die kleinen Gelbbrauen-LS  sehr unscheinbar: Sie suchen in Büschen und Bäumen nach Nahrung (Insekten) und bewegen sich sehr flink. Im Verhalten unterscheiden sie sich kaum von Zilpzalp, Fitis und den ca. 10 ähnlichen seltenen Laubsängerarten, die es von den Gelbbrauen-LS zu unterscheiden gilt. Man muss einen Laubsänger schon unter ziemlich guten Bedingungen sehen, damit man diese Art zweifelsfrei erkennen kann. Die beste Möglichkeit der Identifikation bieten wohl die charakteristischen Rufe, die auch im Herbst zu hören sind.



Seltenheiten im Doppelpack - alles schon gesehen!

Lothar Hayo mit den 2 am 10.08.2010 gefangenen
Seggenrohrsängern (Acrocephalus paludicola)
Dass seltene Vogelarten auch mehrfach auftreten können hatte unser Team schon einmal so erlebt, als am 10.08.2010 auf einem Rundgang 2 Seggenrohrsänger (Acrocephalus paludicola) an unterschiedlichen Stellen im Netz hingen. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt dass Vogelarten die bei Nacht ziehen (zu denen auch Seggenrohrsänger und Gelbbrauen-LS gehören) nach momentanem Kenntnisstand einzeln und nicht wie viele tagziehende Vogelarten in Trupps unterwegs sind. Gerade im Fall der Gelbbrauen-LS sind aber Ansammlungen von mehreren Individuen bis hin zu einigen zig Individuen aus den Küstenregionen von Nord- und Ostsee bekannt. Insbesondere im letzten Jahr gab es auf Helgoland einen massiven Einflug dieser Art mit über 50 Exemplaren an einem Tag (Quelle: ornitho.de)! Warum also nicht auch mal zwei im Binnenland?


Und jetzt?

Na weitermachen natürlich! Wir haben noch einige Arten auf der Liste, die auch so spät im Jahr noch potentiell auftreten können. Vielleicht können wir uns nächste Woche schon mit der nächsten Sensation melden, man weiß ja nie!

Viele Grüße im Namen des gesamten Teams,
Sebastian Kiepsch

30.09.2014

Gelbbrauen-Laubsänger - Erstnachweis (?) für das Saarland

Hallo zusammen!

Diesjähriger Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus)
Erstnachweis mit Fragezeichen, aber in jedem Fall ein absolutes Highlight!

Wenn's läuft, dann läuft's! Das gilt in diesem Jahr auch für die Beringung im Saarland. Nachdem der Fang der Sperbergrasmücke (Silvia nisoria) nun gerade mal 9 Tage zurück liegt, folgte mit einem Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus) am gestrigen Montag (29.09.2014) direkt die nächste Seltenheit!

 
Darf ich vorstellen - Gelbbrauen-Laubsänger

Kleiner Vogel - großes Interesse!
(v.l.n.r: Sebastian Kiepsch, Rudi Reiter, Lothar Hayo,
Fabian Feß, Rolf Klein, Robin Speicher, Pierre Geller)

Der gerade mal ca. 10 cm lange und etwa 7 Gramm schwere Gelbbrauen-Laubsänger ist Brutvogel im Norden Russlands bis Sibirien und überwintert in Südostasien, Trotz dieser Artbeschreibung gibt es jährlich zahlreiche Nachweise aus Nord- und Mitteleuropa, vor allem auf den Inseln in Nord- und Ostsee sowie im Küstenbereich. Mitunter tritt dieser Vertreter der Laubsänger-Gattung auch weiter im Binnenland auf, so unter anderem 2012 in Luxemburg.

Seit Jahren wird bereits diskutiert, ob ein Teil der Population auch neue Winterquartiere im Westen Afrikas erschlossen hat, bislang kann dies noch nicht durch Ringfunde bestätigt werden. Ein von der Zentrale Helgoland beringter Gelbbrauen-LS wurde im letzten Winter auf den kanarischen Insen wiederentdeckt, was diese Diskussion erneut angefacht hatte! Es ist auf jeden Fall eine sehr aktuelle Fragestellung der wissenschaftlichen Ornithologie, zu deren Aufklärung die Beringung eine entscheidende Rolle spielt.


Fang mit Ansage - aber an neuer Örtlichkeit!


Beringungsstation Klein's Garten - Ein Streuobstbestand mit
Hecken und einigen Nadelbäumen (hier nicht im Bild)
Da hatten wir ja ganz gut orakelt! Im letzten Post wurde er noch als heißer Kandidat für die Beringung gehandelt, jetzt gelingt der Fang. Auch hier gilt aber wieder: Über 50.000 Vögel wurden in den letzten 10 Jahren im Saarland gefangen - ohne einen Gelbbrauen-Laubsänger Es steckt also ein gewaltiger Arbeitsaufwand hinter dem Nachweis, der ohne den kontinuierlichen Einsatz vieler Helfer so nicht möglich wäre.

Ein Gruß an dieser Stelle auch an die Tagungsteilnehmer des Proring-Seminars in Dessau! Dort hatten wir am vergangenen Wochenende neben zahlreichen interessanten Vorträgen auch viele nette Beringer aus anderen Teilen der Republik kennen gelernt. Oft kamen wir auch auf seltene Arten zu sprechen und stets sagten wir, dass unser nächster Fang ein Gebbrauen-LS wird. Falls ihr uns also die Daumen gedrückt habt - es hat sofort genutzt!

Im Gegensatz zur Sperbergrasmücke wurde dieser Vogel aber nicht im IKEA-Biotop gefangen, sondern auf einer Vergleichsfläche ("Klein's Garten") in Biringen (Gemeinde Rehlingen-Siersburg). Gelbbrauen-Laubsänger sind in den Rastgebieren gerne mit Wintergoldhähnchen (Regulus regulus) vergesellschaftet - einer Art, die im IKEA-Biotop nur äußerst selten gefangen wird. Da sieht es in Klein's Garten durch einige Nadelbäume etwas anders aus.


Klein's Garten - was ist das?

Fast das Tageshighlight gestern - Steinkauz (Athene noctua)
Ebenfalls gefangen in Klein's Garten
Seit Ende 2013 betreiben wir eine kleine Beringungsaktion auf einer Streuobstwiese, die zum Grundstück von Rolf Klein gehört. Die Idee zur Beringung auf dieser Fläche kam während des letzten Herbstzugs: Wind und Wetter beeinflussen den Vogelzug extrem. Wenn sich in den Niederungen des Saartals herbstlicher Nebel breit macht, sind die höheren Lagen für durchziehende Vögel attraktiver - so lautet unsere Hypothese. Um diese zu testen, wurde eine Vergleichsfläche zum IKEA-Biotop erschlossen, nur mit deutlich weniger Netzen. Desweiteren soll auf dieser Fläche eine jährliche Wintergasterfassung zur Ermittlung der Standorttreue von Wintervögeln durchgeführt werden.
Aktuell läuft ein Probejahr der Beringung vor Ort, im nächsten Jahr soll die Erfassung dann in systematischer Art und Weise ablaufen. Angesichts dieser Ergebnisse sind wir sehr gespannt!


Wirklich Erstnachweis?

Verbreitung des Gelbbrauen-LS seit 01.08.2014
So weit im Binnenland war bislang noch keiner!
(Quelle: ornitho.de)
Für uns eindeutig: JA!

Schaut man aber in die Literatur, so findet man für das Saarland einen Nachweis des Gelbbrauen-Laubsängers aus dem Dezember 1963, als ein Exemplar angeblich an einem Futterhaus in einem Auwald beobachtet wurde (Anm. 07.10.: Nach Durchsicht der alten Mitteilungen von 1963 war die Beobachtung nicht an einer Futterstelle). Der Nachweis wurde damals durch eine Komission bearbeitet und bestätigt, jedoch ohne jegliche Dokumentation durch Bilder, Tonaufnahmen oder ähnliches.
Zur damaligen Zeit war das Wissen über diese Art aber noch wesentlich geringer und die Nachweisquote in Mitteleuropa auch deutlich seltener. Heute ist bekannt, dass der Gelbbrauen-Laubsänger ein "Durchzugsfenster" von Ende September bis Ende Oktober aufweist und Nachweise außerhalb dieser Zeit höchst unwahrscheinlich sind. Außerdem tritt die Art praktisch nie an Futterstellen mit Körner-/Fettfutter auf, sondern ähnlich den hierzulande überwinternden Zilpzalpen an Orten, wo sie auch im Winter Insekten finden.
Unabhängig von unserem Fang bedarf es der kritischen Beurteilung von Erstnachweisen durch die saarländische Seltenheitenkomission (AKSL) - nicht nur für diese Art! Das Wissen in den letzten Jahrzehnten hat sich für zahlreiche Arten enorm weiterentwickelt, daher sollte man alte Dokumentationen umso genauer unter die Lupe nehmen.



So kann es jedenfalls weitergehen, von unserer Seite steht ein langes Wochenende mit etwas Zeit zum Beringen an - mal schauen, welche Seltenheit sich als nächstes zu uns verfliegt!



Viele Grüße im Namen des gesamten Beringungs-Teams,
Sebastian Kiepsch



21.09.2014

Sperbergrasmücke - Erstnachweis für das Saarland!

Hallo zusammen!

Aus aktuellem Anlass gibt es einen kurzen Vorabbericht der Herbstzugberingung:

Am gestrigen Samstag gelang unserem Team gegen 11:00 Uhr der Fang einer Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria) im IKEA-Biotop. Dies ist der erste Nachweis dieser Art überhaupt im Saarland!


Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria), der am 20.09. beringte Jungvogel


Für das IKEA-Biotop ist dies die 172. nachgewiesene Art und die 111. Art, welche von uns beringt werden konnte.


Nach 6 Jahren endlich drin!

Sperbergrasmücke, Schwanzzeichnung
Bereits seit Beginn der Arbeit an der Station "Mittleres Saartal" im Jahr 2008 war diese Art stets als mögliche Ausnahmeerscheinung gehandelt worden, zumal es bereits Nachweise aus dem Nachbarland Luxemburg gibt, die ebenfalls alle durch Beringung erzielt wurden.

Es war für uns mit dem Start der intensiven und systematischen Beringungstätigkeit eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis wir "sie" endlich haben. Nun ist es nach mehr als fünf Jahren endlich gelungen.

Der gestern erzielte Fang ist nur aufgrund der langjährigen Arbeit vieler Menschen vor Ort gelungen, die in rein ehrenamtlicher Tätigkeit ihre Freizeit und Arbeitskraft eingesetzt haben, um diese biologische Langzeitstudie am Leben zu erhalten!


Ohne Beringung keine Chance auf Nachweis!

Hier war sie drin! Fangstandort der Sperbergrasmücke mit
Brombeergebüschen und Feldgehölzen am Rand des Biotops
Nicht, dass wir unseren Ornithologenkollegen ihre Kompetenz absprechen möchten, doch Nachweise wie dieser sind ohne die Beringung nur schwer realisierbar. Es ist die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen: In fünf Jahren systematischer Arbeit, mit 500 Fangtagen und insgesamt mehr als 50.000 Vögeln wurde gerade mal eine einzige Sperbergrasmücke gefangen.

Hinzu kommt die Tatsache, dass Sperbergrasmücken auf dem Zug nicht unbedingt auffallen: Meist sind sie in dichten Hecken anzutreffen und verhalten sich (bis auf Warnrufe) äußerst heimlich. Man kann den Vogel also - wenn er sich denn einmal irgendwo aufhält - auch nur schwer feststellen. Und damit ist er nicht alleine! Zahlreiche - auch häufigere - Arten werden im Saarland fast nur durch die systematische Beringung erfasst, so z.B. der Rohrschwirl (Locustella luscinioides) und der Schilfrohrsänger (Acrocephalus schoenobaenus).


...und was genau führt sie ins Saarland?

Sperbergrasmücke, Kopfansicht. Die sehr helle Augenfarbe
ist eigentlich untypisch für Jungvögel, vermutlich ist dieses
Exemplar in seiner Entwicklung schon fortgeschrittener.
Die Sperbergrasmücke brütet in Deutschland nur in Ostdeutschland, ihr Verbreitungsgebiet umfasst ziemlich genau den Bereich der neuen Bundesländer. Wo sie dort vorkommt, ist sie mäßig häufig, also bei weitem kein "Allerweltsvogel". Die Sperbergrasmücken machen sich ab August auf den Weg in ihr Winterquartier, ihre Zugstrecke führt sie für gewöhnlich über Südosteuropa und die Arabische Halbinsel ins östliche Afrika. Im Frühjahr wird die gleiche Route in umgekehrter Richtung dann wieder genutzt, um in die Brutgebiete zurückzukehren. Das Saarland sollte also eigentlich nicht von dieser Art überflogen werden. Warum also kommt es doch immer wieder zu einzelnen Feststellungen der Sperbergrasmücke westlich ihres gewohnten Verbreitungsraums?

Sperbergrasmücke, Verbreitung 2014
Der rote Punkt im Saarland kennzeichnet unseren
Fang und ist weit und breit der einzige Nachweis
Quelle: ornitho.de
Eine mögliche Hypothese ist das Phänomen des "Spiegelzugs". Bei den meisten Kleinvogelarten wird das Zugverhalten und die Zugroute nicht von den Eltern oder anderen Altvögeln erlernt, sondern ist in der Genetik der Art verankert. Durch Veränderungen der genetischen Veranlagungen ist ein Abweichen von der gewohnten Zugroute bis hin zu einer vollständigen Umkehr der Zugrichtung denkbar - aus Ost wird West. Jedes Jahr tauchen selbst Sibirische Brutvögel in Mitteleuropa auf, die normalerweise Richtung Südosten ziehen sollten. Auch Sperbergrasmücken machen hier keine Ausnahme; zurzeit findet vor allem im Bereich der Nordseeinseln auch ein kleiner Einflug dieser Art statt (vgl. Verbreitungskarte). Die so auftretenden Vögel sind fast ausschließlich Jungvögel und leider werden diese mit größter Wahrscheinlichkeit den ersten Wegzug auch nicht überleben, da entlang der falschen Route einfach die geeigneten Rast- und Überwinterungsgebiete fehlen.


Neue Ziele - neue Arten

Eine neue Art für die saarländische Artenliste bedeutet auch unweigerlich die Frage, was denn eigentlich noch hierzulande nachgewiesen werden könnte. Hier ein paar der heißesten Kandidaten:
  • Kleines Sumpfhuhn (Porzana parva) bzw. Zwergsumpfhuhn (Porzana pusilla) - beides Brutvögel in Deutschland, aber nicht im Saarland. Ihre Lebensweise in Feuchtgebieten ist sehr zurückgezogen, sie sind abgesehen von ihren Rufen nur schwer nachweisbar. Doch eben diese Rufe äußern beide Arten nur im Brutgebiet. Auf dem Durchzug, welcher sie mit Sicherheit auch über das Saarland führt, ist man auf Zufallsbeobachtungen (oder eben Zufallsfänge) beschränkt. Für beide Arten ist das Saarland noch ein weißer Fleck auf der Landkarte, in den Nachbarregionen gibt es bereits fast überall Nachweise. Als eines der wichtigsten Feuchtgebiete des Saarlands ist das IKEA-Biotop praktisch prädestiniert.
  • Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus) - Brutvogel im Norden Russlands bis Sibirien, der zwar eigentlich in Südostasien überwintert, aber alljährlich nach Mitteleuropa einfliegt. Auch hier gibt es bereits Nachweise aus Luxemburg und Westdeutschland.
  • Mariskenrohrsänger (Acrocephalus melanopogon) - Brutvogel in Südeuropa bis Österreich, die nördlichen Brutvögel ziehen im Winter nach Südeuropa und kommen im Frühjahr wieder zurück. Dabei schießen einige Exemplare je nach Witterung auch "über das Ziel hinaus" und werden in Deutschland gesichtet bzw. auch gefangen, wie z.B. in diesem Jahr in einem Beringungsprojekt am Eich-Gimbsheimer Altrhein nahe Worms.
Neben diesen Arten können auch vollkommen unwahrscheinliche Arten auftreten, so geschehen zum Beispiel in Luxemburg, wo 2012 gleich zwei Feldrohrsänger (Acrocephalus agricola) auftauchten - weit und breit die einzigen Vertreter der von Zentralasien bis Osteuropa brütenden Art. Und das ist nur eines von vielen Beispielen für extremste Raritäten.

So oder so, wir hoffen, dass wir nicht wieder fünf Jahre auf den nächsten Erstnachweis warten müssen! Jetzt geht jedenfalls der Herbstzug weiter und ein guter Teil der durchziehenden Vögel steht noch aus. Da ist noch einiges drin!

Im Namen des gesamten Beringungsteams,
Sebastian Kiepsch

27.08.2014

2014 bisher - milder Winter, neue Fläche, gute Brut

Hallo zusammen!

Sprosser (Luscinia luscinia) - adultes Weibchen - Das Highlight der Brutzeit 2014
Es war etwas länger still um uns geworden, was nicht etwa heißen soll, dass die Beringung aufgegeben wurde - im Gegenteil, in diesem Jahr läuft es ganz gut. Einzig die Zeit, die Daten auch mal anzuschauen und auszuwerten hat bislang gefehlt. Doch mit dem Ende der Brutzeiterfassung wird es mal wieder Zeit, auf den Beginn des Beringungsjahres zurückzublicken und Bilanz zu ziehen.


Allgemein - Biotopmaßnahmen und ungebetene Besucher

Neue Flachwasserzone für das Biotop!
Die umgestaltete Fläche kurz nach Fertigstellung

Mit besonderer Freude erfuhren wir im Winter, dass wir in diesem Frühjahr die Möglichkeit zu einer biotopverbessernden Maßnahme bekommen. Unter der Federführung von Ulrich Leyhe (Vorsitzender NABU OG Saarlouis) und in Zusammenarbeit mit der Firma Meyers konnte Ende Februar eine etwa 200 m² große Wiesenfläche in eine teilüberschwemmte Flachwasserzone mit geringer Uferschräge umgewandelt werden. Auch der angrenzende Schilfgürtel wurde in Rahmen der Aktion etwas abgetragen, um der angrenzenden offenen Wasserfläche den Charakter eines Altarms zu geben. Die Flachwasserzone (auf dem Foto der Stand kurz nach dem Ausbaggern) hat sich seither bestens entwickelt und bietet, sofern genügend Wasser vorhanden ist, beste Rastbedingungen für Watvögel und Rallen im Biotop.

Hier befindet sich die neu gestaltete Fläche
(Klick zum Vergrößern)
Nach dieser durchweg positiven Aktion gab es aber auch ein sehr unerfreuliches Ereignis: Durch einen Unbekannten Täter wurden Anfang April Teile des Fanggeräts und Stegs beschädigt. Der Sachschaden beläuft sich auf über 1000 €, die Polizei ermittelt. Umso schlimmer: Große Teile der beschädigten Netze waren komplett neu angeschafft für die 2014er Saison. Das so entstandene Finanzloch konnte bis heute nicht gestopft werden und so klaffen bis dato auch noch Löcher in vielen Fangnetzen. Eines zeigt diese Aktion ganz klar auf: Ohne große Sponsoren oder andere längerfristige Zuwendungen wird das Projekt Beringungsstation über kurz oder lang nicht mehr zu betreiben sein...


Frühjahrszug - milder Winter = weniger Vögel?

Wenn man den Winter 2013/2014 mit einem Wort zusammenfassen sollte, wäre es wahrscheinlich "Herbst". Die Temperaturen lagen tagsüber nur selten unterhalb des Gefrierpunkts, Schnee gabs nur im Fernsehen und im Saarland typische Wintergäste wie Erlenzeisige, Raubwürger oder Kornweihen blieben lieber noch etwas weiter nördlich.

Bergpieper (Anthus spinoletta)
Eines der Highlights in diesem Frühjahr
Auch bei der Beringung  hat sich dieser sehr spezielle Winter bemerkbar gemacht. Speziell im Vergleich mit dem Frühjahr 2013, in dem durch einen Zugstau wegen des Wintereinbruchs im März eine gewaltige Zahl von Vögeln notgedrungen im Saarland und auch im IKEA-Biotop rasten mussten, fällt das Fazit dieses Jahr wesentlich unspektakulärer aus.
Subjektiv hatte man bereits bei den Beringungsaktionen den Eindruck, dass viele Arten und Individuen eine längere Rast vermeiden und lieber schnell ins Brutgebiet durchstarten, teilweise lagen die absoluten Fangzahlen sehr niedrig mit gerade mal 20-30 Beringungen pro Fangtag. Auch die Aufenthaltszeiten im Biotop waren vergleichsweise kurz, gerade im Vorjahr blieben z.B. die Blaukehlchen über eine Woche im Gebiet, in diesem Jahr gerade mal 1-2 Tage.

Auch der DDA (Dachverband Deutscher Avifaunisten) hat die beiden Frühjahre 2013 und 2014 in einem kürzlich erschienenen Artikel unter die Lupe genommen, was interessante Ergebnisse zeigt. Sehr lesenswert!

Auch die gehen mal ins Netz:
Pierre Geller mit gefangener belgischer Brieftaube
Trotz geringer Fangzahlen hatte der Frühjahrszug auch so seine Momente: Die Highlights der diesjährigen Beringung waren vor allem ein Bergpieper (01.04.2014) und eine Zwergschnepfe (13.04.2014), aber auch ein interessanter Kontrollfang eines Schafstelzen-Männchen mit Ring der Vogelwarte Paris. Alle diese Arten ziehen regelmäßig durch und über das Gebiet, werden aber nicht jedes Jahr gefangen. Wir freuen uns daher über jeden Nachweis im Frühjahr.

Die neu gestaltete Fläche konnte nach ihrer Fertigstellung bereits zahlreiche rastende Watvögel anziehen. Es konnten so auf dem Frühjahrszug bereits 3 Waldwasserläufer gefangen und beringt werden! Wir sind gespannt, ob die neue Flachwasserzone unsere Erwartungen erfüllt.


Brutzeit 2014 - Verlierer und Gewinner

Feldschwirl (Locustella naevia) - Großer Verlierer 2014?
Bereits im letzten Jahr hat sich die eine oder andere Veränderung des Brutbestands angedeutet, vor allem bei den im Randbereich des Biotops brütenden Orpheusspöttern, denen durch die wachsenden Heckenstrukturen langsam aber sicher die Brutplätze ausgehen. Diese Trends haben sich auch in diesem Jahr fortgesetzt, der Orpheusspötter brütet nur noch mit maximal 2 Paaren im Biotop, wie auch schon im Vorjahr.
Zudem gab es einen massiven Einbruch beim Feldschwirl, der zum ersten Mal seit Beginn der Brutzeiterfassung keine erfolgreiche Brut im Gebiet hatte. Ob dies eine Folge der veränderten Vegetationsstruktur des Gebiets oder lediglich eine natürliche Schwankung ist, werden die nächsten Jahre zeigen

Doch diese zwei Arten bilden die absolute Ausnahme in diesem
Jahr: Die Saison 2014 war aufgrund der langen Schönwetterperiode im Mai und Juni ausgesprochen gut zur Aufzucht von Jungvögeln geeignet. Für viele Arten (allen voran Blau- und Kohlmeisen sowie sämtliche Grasmücken) wurden hohe Zahlen ausgeflogener Jungvögel festgestellt und durchweg mehrere Bruten hintereinander! Insbesondere bei Mönchsgrasmücken waren diese Mehrfachbruten anhand der Entwicklungsstadien gefangener Jungvögel gut nachzuvollziehen.

Auch andere typische Bewohner des Gebiets hatten großen Bruterfolg: Bei den Teichrohrsängern gab es im Vergleich mit dem Durchschnitt der Vorjahre eine spürbar höhere Zahl gefangener Jungvögel, auffällig war vor allem auch das zeitlich sehr frühe Ausfliegen der Jungen bereits Mitte Juni! Einige Paare brüteten daher gleich noch einmal, so dass auch Mitte August noch gerade erst flügge gewordene Jungvögel gefangen wurden.


Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus)
Wieder kurzzeitiger Brutverdacht 2014!
Auch in diesem Jahr gab es wieder ein singendes Drosselrohrsänger-Männchen im Gebiet, welches auch gefangen werden konnte. Interessanterweise trug dieser einen Ring der Beringungszentrale Brüssel - wo er aber genau beringt wurde, wissen wir noch nicht. Im Gegensatz zum Vorjahr, als ein Drosselrohrsänger während der gesamten Brutzeit singend beobachtet werden konnte, beschränkte sich in diesem Jahr die Gesangsaktivität auf ca. eine Woche. Danach gab es auch keine weiteren Fänge mehr.



Kurzzeitiger Brutverdacht bestand auch beim Zwergtaucher, der in der Kernbrutzeit mehrfach balzrufend aus dem Schilfgürtel gehört werden konnte. Jungvögel wurden allerdings nicht gesichtet. Im letzten Jahr konnten noch mehrere Zwergtaucher gefangen werden, was bislang 2014 nicht gelang.


Brutzeit 2014 - Highlights

Sprosser (Luscinia luscinia) - Flügel
Trotz aktiver Handschwingenmauser
ohne Zweifel als Sprosser zu identifizieren.
Für die Experten: 1. HS < HD, 2. HS auf 4.
Flügellänge: 92,0 mm (!!)


Das größte Highlight vorweg: Vollkommen unerwartet wurde am 19.06. mitten in der Brutzeit ein adultes Sprosser-Weibchen gefangen. Dieser Fang stellt (Anerkennung vorbehalten) einen Zweitnachweis für das Saarland dar.
Der Sprosser ist sehr nahe mit der Nachtigall verwandt und brütet im äußersten Norden und Osten Deutschlands. Seine Zugstrecke führt ihn nach Osten über den Balkan und die Arabische Halbinsel bis nach Ostafrika.
Bereits 2009 wurde während des Herbstzuges ein junger Sprosser gefangen, der vermutlich die falsche Zugroute nach Südwesten eingeschlagen hatte. Dieses Phänomen ist als "Spiegelzug" bekannt. Oftmals finden die betroffenen Vögel dann keine geeigneten Rast- und Überwinterungsgebiete auf der Zugstrecke, für diese endet der erste Herbstzug daher tödlich
Bei diesem Altvogel (der den Zugweg bereits erfolgreich mindestens 1x hin und zurück absolviert hatte) ist ein solches Zugverhalten absolut rätselhaft, vermutlich durchstreifte er nach einer erfolglosen Brut (Brutfleck war vorhanden!) die Umgebung. Bei Langstreckenziehern wie dem Sprosser kann das Wort "Umgebung" dann schon einmal mehrere hundert Kilometer Strecke umfassen. Umso erstaunlicher: Der Vogel befand sich mitten in der Mauser und erneuerte gerade die Handschwingen, welche die Hauptantriebsfedern beim Flug sind.

Kuckuck (Cuculus canorus), kuckuck, ruft's aus dem Netz
Nach 2011 gelang außerdem zum zweiten Mal der Fang eines Kuckucks im IKEA-Biotop. Auc
h diesmal handelte es sich wieder um ein Weibchen, das am frühen Morgen in eines der beiden großmaschigen Netze ging. Kuckucke sind von April bis Juni/Juli regelmäßige Gäste im Gebiet, wo sie als Brutparasit vermutlich Nester von Wirtsvögeln für ihre Eier suchen (z.B. Teichrohrsänger).
Junge Kuckucke konnten seit Beginn der Beringungstätigkeit allerdings noch nicht im Gebiet gesichtet, geschweige denn gefangen werden.




Ausblick - Aushilfen für den Herbstzug gesucht!

We want you - als Beringungshelfer!
Auch diesen Herbst wird wieder beringt, soweit es die Zeit aller Beteiligten erlaubt. Das Team der Beringungsstation sucht dafür wieder Verstärkung! Wer gerne in der Natur unterwegs ist und praktischen Naturschutz erleben möchte, ist herzlich eingeladen, im Rahmen eines Schnupper-Tags unsere Arbeit kennenzulernen und gerne auch regelmäßig auszuhelfen. Besondere Vorkenntnisse sind dafür nicht erforderlich (werden im Rahmen der Tätigkeit vermittelt), Artenkenntnis der heimischen Vogelwelt ist jedoch hilfreich und ein Fernglas zur Beobachtung des Gebiets von Vorteil.
Und der obligatorische Hinweis: Die Arbeit an der Station ist rein ehrenamtlich - es kann leider keine Erstattung von Fahrtkosten oder finanzielle Aufwandsentschädigung erfolgen.

Wir würden uns freuen, von Ihnen zu hören!



Anhang - Brutzeit-Statistik 2014

(vgl. auch 2013 bzw. 2012)

Die Fangzahl in diesem Jahr lag etwas höher als 2013, vor allem durch den großen Bruterfolg einiger Arten. In der Auflistung fehlen spät ausgeflogene Jungvögel, z.B. beim Teichrohrsänger!





Nicht gefangene Brutvogelarten

Blässhuhn - sichere Brut
Bluthänfling - Brutverdacht im näheren Umfeld
Stieglitz - Brutverdacht im näheren Umfeld
Zwergtaucher - Brutverdacht


22.02.2014

Herbstzug 2013 - die zweite Zughälfte

Hallo an alle Leser!

Raubwürger (Lanius [excubitor] homeyeri(?)) - Das Highlight 2013?
Mehr Infos siehe Text
Der Winter ist traditionell die Zeit, in der die Beringung im IKEA-Biotop zur Ruhe kommt. Die Netze sind sicher eingelagert, das Biotop ist sich selbst und den dort einkehrenden Wintergästen überlassen. In diesem Jahr will der Winter das Saarland aber (zumindest bis jetzt) eher umgehen und so lagen die Temperaturen bis auf wenige Ausnahmen eher auf herbstlichem Niveau und was eigentlich Schnee ist, das haben die meisten Saarländer sowieso schon ganz vergessen.
Für uns bedeutet diese Zeit aber auch, auf das vergangene Jahr zurückzublicken und die angesammelten Daten etwas genauer in Augenschein zu nehmen. Den Anfang macht heute die (überfällige) Zusammenfassung der zweiten Herbstzughälfte.


Allgemein - Erfassung mit Unterbrechung

Basstölpel (Morus bassanus), Helgoland 2013
Das beliebteste Ziel deutscher Ornithologen!
Die zweite Zughälfte reicht von Anfang Oktober bis ca. Ende November, wobei diese Phase je nach Wetterlage mal kürzer und mal länger andauert und auch in der Intensität stark variiert. Die zweite Hälfte des Herbstzugs ist die Hälfte mit geringeren Fangzahlen, da einfach viele früh ziehende Arten schon weg sind. Außerdem war gerade Anfang Oktober 2013 die Zeit, in der unser Team geschlossen zu den Helgoländer Vogeltagen gefahren ist: Ein Erlebnis, dass man allen begeisterten Hobbyornithologen nur immer wieder empfehlen kann. Neben dem maritimen Artenspektrum treten dort im Herbst nämlich zahlreiche extrem seltene Irrgäste auf, die anderenorts in Deutschland noch nicht nachgewiesen wurden.

Für unsere Erfassung bedeutet das eine "Datenlücke" von einer Woche, in der die Beringung geruht hat. Obwohl wir so gut wie möglich versucht haben, das unbearbeitete Zeitfenster zu minimieren (am Tag vor der Abreise noch eine Aktion), gibt es natürlich dadurch statistische Auswirkungen. Eine weitere Verzerrung der Daten entsteht durch die typischen Beringungszeiten. Als ehrenamtliche Tätigkeit findet die Beringung neben unserer regulären Arbeit (vorher bzw. hinterher) statt, dadurch ist der tageszeitliche Bereich vom späten Vormittag bis zum frühen Abend unterrepräsentiert. Doch dazu später mehr.


Feldlerche (Alauda arvensis)
Seit dem Vorjahr nehmen wir ab Anfang Oktober auch an einer bundesweiten Feldlerchen-Beringung teil, bei der in der Nacht Feldlerchen mit spezieller Fangtechnik auch in eigentlich ungeeignete Biotope gelenkt werden. Auch 2013 wurden immerhin 74 Stück gefangen (davon ganze 62 in einer sehr klaren Vollmondnacht!), eine gute Bilanz (vgl. 2012: 84 Ex.).



Häufige Arten - Rohrammern seltener?

Bei den häufigen Arten gibt es hauptsächlich 2 Arten, die ihren Hauptdurchzug in der späten Zugphase haben: Rohrammern und Rotkehlchen. In den vergangenen Jahren stets zwei der vier häufigsten Arten im IKEA-Biotop. Die anderen beiden Top-4-Arten, Teichrohrsänger und Mönchsgrasmücke, lassen ihren Zug bis Ende Oktober hin ausklingen, Fänge im November sind aber nicht untypisch. Auch die sehr häufigen Zilpzalpe ziehen in der zweiten Zughälfte stark.

Was fiel 2013 auf: Nun, für die Rotkehlchen nicht viel, der Herbstbestand 2013 lag mit 674 Ex. in etwa in der Größenordnung der Vorjahre (2012: 705 Ex.).
Phänologiediagramm der Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla)
Im Vergleich dazu die Vorjahre. Man erkennt deutlich,
dass die Fangzahlen enorm nach oben abweichen, sowie eine
zeitliche Verschiebung zu späterem Zug, wie auch schon 2012
Doch für die anderen Top-4 gab es große Abweichungen: Mönchsgrasmücken und Teichrohrsänger waren viel häufiger als im Vorjahr: Für die anderen Grasmückenarten hat sich das ja bereits in der ersten Herbstzughälfte angedeutet, auch bei den Mönchen lagen die Fangzahlen mit 1075 Ex. (2012: 620 Ex.) sehr deutlich über den Ergebnissen der Vorjahre. 2013 war für die Mönchsgrasmücke das Jahr mit den meisten Fängen seit Beginn der Beringungsarbeit im IKEA-Biotop.


Der Teichrohrsänger als häufigste Art des Gebiets kann dieses Ergebnis aber locker übertreffen: Mit 2530 gefangenen Individuen 2013 (2012: 1586 Ex.) war der Herbstzug 2014 fast so stark wie die Rekordsaison 2010. Ein besonders interessanter Vertreter seiner Art ging uns noch am 26.11. ins Netz. Dies macht ihn nicht nur zum spätesten je im IKEA-Biotop nachgewiesenen Teichrohrsänger, er war auch noch mit einem holländischen Ring markiert! Es wird interessant sein zu erfahren, wann und wo er dort gefangen wurde.

Teichrohrsänger (Acrocephalus scirpaceus), beringt von Zentrale Arnhem (NED)
Gefangen am 26.11.2013 und damit der späteste je von uns nachgewiesene Teichrohrsänger

Fangzahlen der Rohrammer (Emberiza schoeniclus)
Dazu im Vergleich Zahl der Beringungstage jeweils
von 11.09. - 20.11. des Jahres (Hauptdurchzug).
Die Diskrepanzen 2012 bzw. 2013 könnten auf
Populationsrückgang oder Methodikprobleme hinweisen
Was die Rohrammern angeht, sieht die Saison 2013 weniger erfreulich aus. Zum ersten Mal seit Beginn der Beringung im IKEA-Biotop schafft es die Rohrammer nicht unter die vier Arten mit den stärksten Fangzahlen und wird von Sumpfrohrsänger und Zilpzalp auf Platz 6 verwiesen. Schon seit 2009 sieht man bei der Rohrammer einen kontinuierlichen Abwärtstrend. Doch dies sollte man noch nicht überbewerten, da die angesprochenen statistischen Verzerrungen (Datenlücke im Hauptdurchzugsfenster und um die Mittagszeit der Beringungstage) die Fangzahlen zumindest bei uns enorm verfälschen. Fakt ist, dass gerade in den letzten beiden Jahren enorme Rückgänge zu verzeichnen sind. Die interessante Frage wird sein, ob andere Beringer einen ähnlichen Trend sehen.

Rangfolge der Arten nach Zahl der Neuberingungen 2013 im Vergleich mit 2012


Mittelhäufige Arten - von ausbleibenden Invasionen

Der Spätherbst ist üblicherweise die Zeit, in der auch ungewöhnliche Zugbewegungen festgestellt werden. So war z.B. 2010 ein Jahr, in dem viele Waldvögel im Saarland in untypischen Biotopen gesichtet (und von uns auch gefangen) wurden. Das Jahr 2012 war geprägt von invasionsartigem Auftreten von Singdrosseln, Blau- und Kohlmeisen, bei denen insbesondere letztere durch ihre fremdartigen Rufe auch an vielen anderen Stellen Deutschlands auffielen (vgl. avesrares.wordpress.com - "freaky great tits"). Die vergangene Beringungssaison war dagegen was diese Arten angeht vergleichsweise ruhig, die erzielten Fangzahlen fielen zurück auf den durchschnittlichen Stand der Vorjahre.
Auch die sonst im Saartal in großer Zahl auftretenden Erlenzeisige blieben wohl aufgrund des milderen Wetters größtenteils in nördlicheren Gefilden. Gerade einmal zwei Vertreter dieser Art konnten im Herbst 2013 beringt werden (2012: 42 Ex.).

Alpen-Birkenzeisig (Carduelis [flammea] cabaret)
Eine späte kleine Invasion konnte aber bei den verwandten Birkenzeisigen (Unterart cabaret) festgestellt werden. Speziell Ende November und Anfang Dezember waren diese kleinen Finken an vielen Stellen im Saartal in teilweise recht großen Trupps auf Nahrungssuche bzw. als Durchzügler feststellbar. Auch bei der Beringung konnten immerhin 4 Individuen gefangen werden (2012: 2 Ex., darunter auch 1 Ex. der nordischen Unterart flammea), ein Trupp von ca. 20 Birkenzeisigen konnte daneben über mehrere Tage hinweg beobachtet werden.



Seltene Arten - Spätes Glück und Bestimmungsproblematik


Zwergschnepfe (Lymnocryptes minimus)
Das erste Highlights kurz vorweggenommen: Endlich konnte nach zwei erfolglosen Jahren wieder eine Zwergschnepfe gefangen werden! Zuletzt war uns diese Art 2010 in die Netze gegangen. Zwergschnepfen, die übrigens sehr nahe mit der Bekassine - dem Vogel des Jahres 2013 - verwandt sind, rasten fast alljährlich im IKEA-Biotop. Die wenigen Tiere treten aber meist dort auf, wo sie ungestört sind - also weit von den Netzen entfernt. Für unser Team war dieser Fang insofern sehr erfreulich.

Nach dem erneuten Ausbleiben der ganz großen Highlights bis Ende September haben wir schon fast die Hoffnung auf Sensationen aufgegeben, doch pünktlich zu Beginn der 2. Zughälfte wurden wir am Abend des 02.10. von einem seltenen Anblick im Netz überrascht: Der oben gezeigte Raubwürger hing inmitten des höchsten Schilfbestands des Gebiets im Netz, eigentlich ein Vegetationstyp, der so gar nicht zu dieser Art passt, die sonst in Offenlandbereichen ihre Nahrung jagt: Großinsekten, Mäuse, etc. In der Vergangenheit wurden bereits zwei Raubwürger an anderen Stellen im IKEA-Biotop gefangen, also insofern auch keine große Sache, sollte man meinen.

Raubwürger (Lanius [excubitor] homeyeri(?)) - Schwanzzeichnung
Zwei vollständig weiße äußere Schwanzfedern!
Erst bei genauerem Hinsehen fiel dann auf, dass die Merkmale dieses speziellen Raubwürgers sehr gut zur östlichen Unterart homeyeri passen, die im Bereich des Kaukasus bis Sibirien vorkommt. Die beschriebenen Merkmale dieser Unterart umfassen ein durchschnittlich helleres Erscheinungsbild mit ausgedehnten Weißzeichnungen im Flügel und vor allem im Schwanzmuster. Kann das sein? Vieles spricht dafür... doch es gibt einen Haken: Die Variation dieser Spezies. In der Fachliteratur gibt es keine Übereinstimmung über die Abgrenzung der Unterart homeyeri zu unseren heimischen excubitor-Raubwürgern und viele Feldornithologen warten derzeit auf eine Veröffentlichung zu dieser Thematik. Unser Team kam dann zu dem Schluss, die Dokumentationsaufnahmen anerkannten Experten zur Verfügung zu stellen und bis zum Urteil der Fachwelt bei der Bestimmung als homeyeri zu bleiben. Nichts desto trotz muss diese Unterart aufgrund ihrer Seltenheit in Deutschland bei der Deutschen Avifaunistischen Kommision (DAK) dokumentiert werden wird hier von angesehenen Ornithologen überprüft. Bis zur abschließenden Bewertung ist dieser Fang also noch mit einem Fragezeichen zu versehen.


Sibirischer Zilpzalp (Phylloscopus [collybita] tristis)
mit verklebtem Gefieder um den Schnabel
Ähnlich verlief es bei einem weiteren späten Fang: Ein (vermutlicher) Sibirischer Zilpzalp der Unterart tristis konnte Mitte November überraschend gefangen und beringt werden. Auch hier muss die Bewertung zwar abschließend durch die DAK erfolgen, doch aus unserer Sicht ist der Fall hier etwas klarer. Bereits 2009 wurde ein mittlerweile bestätigter tristis-Zilpzalp im IKEA-Biotop gefangen, mit sehr ähnlichen Merkmalen. Im Vergleich mit den bei uns brütenden collybita wirkt der tristis-Zilpzalp wesentlich heller und zeigt kaum Gelbtöne in der Gefiederfärbung. Seine Beine sind sehr dunkel und vor allem - was wir zum Glück nach meheren Minuten Wartezeit auch feststellen konnten - hat er einen speziellen Ruf. Auch die Bilder sprechen aus unserer Sicht Bände.

Der direkte Vergleich - Sibirischer Zilpzalp (Phylloscopus [collybita] tristis) (l.)
und sein mitteleuropäischer Verwandter, Zilpzalp (Phylloscopus [collybita] collybita) (r.)


Schlusswort: 2014 steht bevor

Das alte Beringungsjahr ist Geschichte, ein neues bricht an. Auch 2014 werden wir wieder so gut es geht versuchen, Beringungsaktionen durchzuführen, beginnend mit der Erfassung des Frühjahrszugs.

Doch zunächst werden wir noch in anderer Mission aktiv: Im IKEA-Biotop wurde eine kleine aber feine Umgestaltungsmaßnahme bewilligt, die durch großzügige und tatkräftige Unterstützung des Tiefbauamts der Stadt Saarlouis in den nächsten Tagen durchgeführt wird. Es soll eine neue Flachwasserzone und ein abgetrenntes Tiefgewässer entstehen, welche das Angebot an Nahrung und Rastplätzen für Brut- und Zugvögel erweitern. Daneben soll ein Graben an der Grenze des Biotops gezogen werden, der Störungen z.B. durch unbefugtes Betreten verhindern soll. Wir sind gespannt, welche Auswirkungen diese Maßnahme auf das Artenspektrum und den Bestand haben wird.

Wir freuen uns schon auf neue spannende Fänge und Geschichten!

Im Namen der Beringungs-AG,
Sebastian Kiepsch