13.02.2016

Interessante Ringfundmeldungen

Hallo zusammen!


Das IKEA-Biotop und die Beringungsstation im Februar 2016
Der Winter ist traditionell die ruhigste Jahreszeit an der NABU Beringungsstation: Im Gegensatz zu den Hunderten Durchzüglern pro Tag, die zwischen August und Oktober das IKEA-Biotop zur Rast aufsuchen, herrscht von Dezember bis März eine fast ungewohnte Ruhe. Statt Gewusel im Schilf und Gesängen und Rufen aus allen Ecken des Gebiets sind kaum Vögel zu sehen und hören, mit Ausnahme einiger wenige Wintergäste, die zum Schlafen oder zur Suche nach der nun spärlichen Nahrung einfallen. Aus diesem Grund ist auch die Beringungstätigkeit im Winter auf wenige Aktionen beschränkt, bei denen es hauptsächlich um die Erfassung der einzelnen Individuen geht. Das Ziel ist es dabei, die standorttreuen Überwinterer genauer zu studieren.
Der Winter ist aber auch eine Zeit der Auswertung und Analyse der Daten des Vorjahres. Einen Einblick in diese Tätigkeit haben wir ja bereits bezüglich der Brutzeiterfassung gegeben, ein weiteres sehr interessantes Feld soll Thema dieses Beitrags sein: Ringfundmeldungen


Hintergrund: Koordination durch Beringungszentralen

Eines der großen Ziele der Vogelberingung ist es, über Wiederfunde beringter Vögel das Wissen über Zugbewegungen, Ökologie und Verhaltensmuster zu erweitern. Die NABU-Beringungsstation ist zu diesem Zweck eingegliedert in ein grenzüberschreitendes Netz von Vogelberingungszentralen und dabei der Vogelwarte Radolfzell unterstellt. Diese ist zuständig für Süddeutschland, während der Nordwesten der Bundesrepublik durch die Vogelwarte Helgoland, sowie die neuen Bundesländer durch die Vogelwarte Hiddensee betreut werden. Die Beringungszentralen erfüllen dabei nicht nur eine Verwaltungsaufgabe, sondern sind vor allem zuständig für die Ausgabe der individuell numerierten Vogelringe an die Beringer. Im Gegenzug liefern die Beringer sämtliche erfassten Daten jährlich bei der zuständigen Vogelwarte ab, welche ein zentrales Archiv führt. Weiterhin dienen die Vogelwarten auch als Anlaufstelle für Meldungen zu beringten Vögeln, die neben den jährlichen Datensätzen der Beringer natürlich auch von Privatpersonen stammen.

Beringtes Rotkehlchen
Wenn Sie einen beringten Vogel ablesen
können oder tot auffinden, melden Sie bitte
die Daten unter www.ring.ac an die
zuständige Beringungszentrale.
JEDE MELDUNG ZÄHLT!
Wer einen beringten Vogel abliest oder tot auffindet, kann die entsprechenden Daten mittlerweile europaweit zentralisiert unter www.ring.ac eingeben. von dort werden sie an die Beringungszentralen weitergeleitet, die dann den Findern und Beringern einen Lebenslauf des Vogels übermitteln. Im Falle der NABU Beringungsstation fallen im Schnitt knapp 50 solche Ringfundmeldungen im Jahr an, die entweder von uns beringte Vögel an anderen Orten betreffen, oder aber Informationen zu von uns gefangenen Vögeln mit fremden Ringen beinhalten. Der Wermutstropfen an diesem Verfahren ist der enorme Zeitaufwand, bis alle beteiligten Personen und Institutionen kommuniziert haben: Im Schnitt dauert es vom Fang zur Fundmeldung mehrere Jahre! Aktuell sind wieder etliche Meldungen, vor allem aus den Jahren 2013 und 2014 aufgelaufen, die wir nun genauer unter die Lupe genommen haben. Darunter einige überaus interessante Fälle...


Saarlouiser Blaumeise in Ungarn

Auch Blaumeisen sind teilweise Zugvögel, die nördlichen
Populationen überwintern in Mittel- und Südeuropa
Blaumeisen gelten gemeinhin als Standvögel, was für mitteleuropäische Vögel auch weitgehend wahr ist. Was aber die Wenigsten wissen: Die nördlichen Populationen Skandinaviens und Osteuropas führen im Herbst einen ausgeprägten Zug durch. Im Saarland findet der Hauptdurchzug der Blaumeise meist Ende Oktober oder Anfang November statt. Ein solcher Durchzügler, ein Weibchen, welches am 31.10.2011 im IKEA-Biotop beringt wurde, ist am 23.10.2014 nach knapp drei Jahren von anderen Beringern wieder gefangen worden, allerdings ca. 1.100 km entfernt in Ost-Ungarn. Auch hier ist davon auszugehen, dass es sich um eine Station ihres Herbstzugs handelt.


Feldlerche in Frankreich tot aufgefunden

Seit 2012 konnten im IKEA-Biotop knapp 400 Feldlerchen
beringt werden. 2013 gab es den ersten Wiederfund.
In unserem Projekt zum Herbstzug der Feldlerche ist der erste Ringfund geglückt, leider handelt es sich jedoch um einen Totfund. Das Lerchen-Weibchen wurde von uns am 18.10.2013 beringt und wurde einen knappen Monat später, am 08.11.2013 in Trensacq - ca. 100 km südlich von Bordeaux - tot aufgefunden. Ein Vermerk bei der Beringung deutet auf eine mögliche Todesursache hin: Die Lerche hatte nur geringfügige Fettreserven. Bei einem anstrengenden Zug, insbesondere bei ungünstigen Wetterbedingungen, kann dies für das Individuum natürlich fatal enden. Wir hoffen aber in den nächsten Jahren auf weitere Wiederfunde dieser Art.


Schilfrohrsänger ziehen über Italien

Wiederfunde und Herkunft fremdberingter Schilfrohrsänger.
blau: Beringungsorte anderenorts beringter Individuen
grün: Wiederfunde von uns beringter Individuen
rot: Die Beringungsstation "Mittleres Saartal"
(Quelle: Google earth)
Bei der Beringung im IKEA-Biotop ist der Schilfrohrsänger eine der interessantesten Arten: Zum Einen ist er sehr unscheinbar und wird fast ausschließlich durch Beringung im Saarland nachgewiesen - ca. 5 Beobachtungen jährlich stehen knapp 100 Fängen bei der Beringung gegenüber! Zum Anderen ist die Quote von Wiederfunden und fremdberingten Vögeln verhältnismäßig hoch mit einem von 34 Individuen. Über die Jahre offenbart dies ein interessantes Bild über die Zugroute der Art: Die Schilfrohrsänger, die das Saarland überfliegen, scheinen zum Großteil eine Route über Italien zu wählen. Damit sind sie an der NABU Beringungsstation echte Exoten, die meisten Arten folgen der Westroute über die Iberische Halbinsel. Ein am 14.04.2013 gefangenes Schilfrohrsänger-Männchen bestätigt diese Vermutung wieder: Er trug beim Fang im IKEA-Biotop bereits einen italienischen Ring, beringt wurde er als Altvogel im August 2010 nahe Bologna.


Standorttreue Beutelmeisen
Bei einem Durchmesser von gerade einmal 2,3 mm ist
der Ring der Beutelmeise fast nur in der Hand ablesbar.
Ein Fotograf in der Schweiz hat nun das Gegenteil bewiesen.
Die Art mit der höchsten Quote an Ringfunden ist mit weitem Abstand die Beutelmeise. Im Schnitt ist jede zwölfte Beutelmeise entweder bereits anderenorts beringt worden, oder wird erneut in einem anderen Gebiet gefangen. Eine aktuelle Wiederfundmeldung ist dabei aufgrund der Umstände besonders eindrucksvoll: Eine von uns 2010 beringte Beutelmeise wurde 2014 am Genfer See wiederentdeckt - anhand eines Fotos! Die Ablesung des Rings gelang dabei nur teilweise, dennoch konnten die Buchstaben & Ziffern in Kombination mit dem Schriftzug "Radolfzell" eindeutig diesem Individuum zugeordnet werden. 

Besonders bemerkenswert ist auch die Bindung der Beutelmeisen an ihre Rastgebiete. Ganze 19 Funde der im IKEA-Biotop beringten Individuen stammen aus einem einzigen französischen Feuchtgebiet an der Gironde (Departement Charente-Maritime), umgekehrt konnten wir bereits sechs dort beringte Beutelmeisen fangen. Auch bei den aktuellen Ringfundmeldungen waren wieder zwei Mitteilungen aus diesem Gebiet zu finden. Daneben gibt es noch weitere Standorte mit mehreren Wiederfunden der Beutelmeise, z.B. den Rietzer See in Brandenburg. Nur durch die Beringung konnte diese europaweite Vernetzung von Feuchtgebieten gezeigt werden!


Mönchsgrasmücke auf Abwegen?
Dass Zugwege sich über die Jahre auch verändern können, zeigt die Mönchsgrasmücke ganz aktuell. Seit Jahren ist bekannt, dass ein Teil der Mönchsgrasmücken im Herbst nicht mehr gen Südeuropa zieht, sondern statt dessen in Großbritannien überwintert. Dieses neue Überwinterungsgebiet, wohl begünstigt durch den fortschreitenden Klimawandel, hat sich dabei mehr und mehr etabliert. Ein aktueller Wiederfund einer "saarländischen" Grasmücke passt dabei ebenfalls in dieses Bild: Von uns beringt im September 2013 wurde sie einen knappen Monat später in Nordbelgien erneut gefangen. Falls die Grasmücke diesen Kurs beibehalten hat, führte sie ihr Zug wohl zum Überwintern nach England.


Flussuferläufer aus Schweden

Die Strecke vom schwedischen Öland bis ins Saarland
(1.000 km Luftlinie) schaffte der Flussuferläufer in 4 Tagen
(Quelle: Google Maps)
Zu guter Letzt noch eine Ringfundmeldung, auf die wir schon seit Jahren gewartet haben - und das Warten hat sich gelohnt!
Im Sommer 2013 gelang der Fang eines jungen Flussuferläufers mit schwedischem Ring, wir berichteten. Dies war der erste Fremdfang für diese Watvogelart, die ohnehin bis heute erst 17 Mal im IKEA-Biotop beringt wurde. Noch spektakulärer wurde der Fang durch die Ringfundmeldung: Der Flussuferläufer wurde als Durchzügler in der 1.000 km entfernten Ottenby Vogelstation an der Südspitze Ölands (siehe Karte) beringt, sage und schreibe vier Tage vor unserem Fang. Dies beweist eindrucksvoll, zu welchen Leistungen Zugvögel im Stande sind - insbesondere auch Jungvögel, die erst 2-3 Monate alt sind.

Mit diesen spannenden Ergebnissen möchten wir diesen Bericht abschließen, schon bald soll an dieser Stelle auch der Jahresbericht 2015 erscheinen. Auch die Arbeit im IKEA-Biotop wird bald wieder aufgenommen, bis zum Frühjahr sind noch Pflegemaßnahmen im Gebiet geplant, bevor die Frühjahrszugberingung dann Mitte März startet.

Im Namen des gesamten Beringungs-Teams,
Sebastian Kiepsch

02.02.2016

Die Beringungsstation in der Zeitschrift "Der Falke"



Hallo zusammen!

Die NABU Beringungsstation "Mittleres Saartal" ist in der Februar-Ausgabe der Zeitschrift "Der Falke" mit einem umfassenden Bericht zu unserer Arbeit und zur ornithologischen Vielfalt im IKEA-Biotop vertreten. Das aktuelle Heft (2/16) können Sie über den AULA-Verlag direkt unter www.falke-journal.de beziehen. 

Hier ein kleiner Auszug:

Bartmeise, Männchen - Foto S. Kiepsch
Den gesamten Artikel
finden Sie in
"Der Falke" 2/16
Unscheinbar liegt das sogenannte IKEA-Biotop samt der dort ansässigen NABU-Beringungsstation „Mittleres Saartal“ im Südwesten des Saarlands, direkt an der Saar. Was sich bis hierhin möglicherweise als idyllische, naturbelassene Auenlandschaft andeutet, unterscheidet sich von dieser Idealvorstellung vor allem durch die namengebende Nachbarschaft: Ein großer Gewerbepark begrenzt das Biotop im Westen. Statt Schwemmland und Auwald umrahmen die anderen Himmelsrichtungen ein Ortsteil der Kreisstadt Saarlouis im Norden, intensive landwirtschaftliche Anbauflächen im Süden und ein Kohlekraftwerk inklusive angrenzendem Industriepark auf der gegenüberliegenden östlichen Saarseite. Dennoch ist dieses Gebiet eines der bedeutendsten Vogelbiotope im kleinsten deutschen Flächenbundesland. Die ornithologische Feldforschung geht hier Hand in Hand mit dem Naturschutz und demonstriert eindrucksvoll, wie wertvoll diese „grünen Inseln“ in der urbanen Landschaft sind.


Soweit die Werbung in eigener Sache, an dieser Stelle folgt schon bald der Jahresrückblick 2015, in dem die erstaunlichen Fänge und spannenden Ergebnisse aus dem vergangenen Jahr präsentiert werden.

Im Namen des gesamten Beringungs-Teams,
Sebastian Kiepsch