19.09.2019

Das IKEA-Biotop liegt trocken

Hallo zusammen!

Der zweite trockene Sommer in Folge hat deutliche Spuren im IKEA-Biotop hinterlassen, zum ersten Mal seit seiner Entstehung 1997 ist die Wasserfläche im IKEA-Biotop vollständig ausgetrocknet.

Blick auf die ausgetrocknete Wasserfläche durch das Netz für Wasservögel
(Foto: T. Hoffmeister)

Aufgerissener Boden durch anhaltende Trockenheit.
(Foto: T. Hoffmeister)
Gut ein Drittel des Gebietes bestehen aus Feucht- und Wasserflächen mit gewöhnlich bis zu einem Meter Wassertiefe. In den niederschlagsarmen Sommermonaten entstehen hier regelmäßig Schlickflächen und Flachwasserzonen, welche besonders für Limikolen und Rallen interessante Rastflächen bieten. Bereits im letzten Jahr ging der Wasserpegel während der sommerlichen Dürre bis auf wenige Zentimeter zurück, die Gewässerbereiche schrumpften tagtäglich. Nur durch vereinzelte Gewitter konnte sich im Sommer 2018 überhaupt etwas Wasser halten.

Nur von kurzer Dauer: Wenn wie hier Regen fällt, hält er sich
nur wenige Tage. In wenigen Tagen versickern  auch ergiebige
Regenmengen. Offenbar ist der Grundwasserstand auch betroffen.
(Foto: T. Hoffmeister)
In diesem Jahr sollte sich dann die Lage nochmals verschärfen: Der zweite Dürresommer in Folge hatte Saarlouis fest im Griff. Mit nur wenigen Regentagen und weit unterdurchschnittlichen Regenmengen waren die letzten drei Monate einfach zu viel: Das Gebiet liegt seit einigen Wochen mehr oder weniger auf dem Trockenen. Die wenigen Regengüsse des Sommers haben zwar kurzzeitig für Erfrischung gesorgt, doch das Gebiet war nur scheinbar wieder mit Wasser gefüllt. Die Oberflächenwässer, sowie die eingeleiteten, gefilterten Dachwässer des IKEA-Komplexes sind binnen weniger Tage wieder versickert. Der Grundwasserspiegel scheint offenbar nach 2018 immer noch vorgeschädigt zu sein.

Veränderungen im Gebiet ursächlich

Blick in die Vergangenheit: Noch 2010 war die Wassertiefe
verbreitet über 1,20 Meter. Heute wird dieser Wert zu keinem
Zeitpunkt mehr erreicht.
(Foto: S. Kiepsch)
Doch ist alleine die Dürre daran schuld? Wir sagen nein! Das IKEA-Biotop ist ein dynamisches System, das sich in den letzten 20 Jahren seit seiner Entstehung auch grundlegend verändert hat. Der bis heute anhaltende Aufwuchs der gesamten Vegetation hat dazu geführt, dass alljährlich eine große Menge an Biomasse entsteht, die beim Absterben zunächst im Gebiet verbleibt. Hinzu kamen über viele Jahre auch groß Mengen an Flugsedimenten von nahegelegenen Baustellen (z.B. IKEA-Anbau, Straßenneubau B269n, Industriegebiet Lisdorfer Berg).

An naturnahen Standorten kann durch Hochwässer eine Erosion und Abspülen dieser Einträge erfolgen, im künstlich angelegten IKEA-Biotop ist dies aber praktisch ausgeschlossen: Der tiefste Punkt des Biotops liegt immer noch höher als die benachbarte Saar-Staustufe Lisdorf/Ensdorf. Selbst wenn die Saar Hochwasser führt, ist im IKEA-Biotop davon nichts zu bemerken. In der Folge beobachtet man eine Jahr für Jahr zunehmende Verlandung der Wasserbereiche, die spürbar zum Absinken der Wassertiefe – auch im komplett gefüllten Zustand – geführt hat. Wenn ohnehin weniger Wasser vorhanden ist, dann ist die Auswirkung von Dürreereignissen umso größer.

Aus unserer Sicht ist hier dringend eine großangelegte Pflegemaßnahme mit Ausbaggern der Wasserfläche erforderlich, um die Gewässer und das gesamte Gebiet in ihrem Charakter zu erhalten. Als ausgewiesenes Natura 2000 Vogelschutzgebiet sind diese Erhaltungsmaßnahmen sogar als Pflichtaufgabe der lokalen Naturschutzbehörden gesetzlich verankert. Hier müssen nun aber auch Taten folgen.

Welche Auswirkungen sind zu erwarten?

Für das Gewässerökosystem bedeutet 2019 einen Einschnitt. Durch das Austrocknen werden Totalverluste für Wasserschnecken und gewässerbewohnende Insekten wie z.B. Libellenlarven und Wasserkäfern befürchtet. Dies bedeutet im nächsten Jahr ein wohl geringeres Nahrungsangebot für andere Tierarten, neben Vögeln sind natürlich auch Amphibien und Reptilien betroffen. Ob sich dies auf die Brutvögel auswirken wird, werden wir versuchen im Rahmen unserer Brutzeiterfassung zu überprüfen.

Tüpfelsumpfhuhn, noch 2018 wurden 5 Individuen beringt.
2019 wurde  die Art noch nicht im Gebiet nachgewiesen.
(Foto: S. Kiepsch)
Ein komplettes Absterben des Fischbestands im IKEA-Biotop konnte bereits vor einigen Wochen beobachtet werden, als der Sauerstoffgehalt des Wassers wohl zu gering wurde. Allerdings handelte es sich dabei größtenteils um illegal ausgesetzte Goldfische, die ohnehin nur durch menschliche Eingriffe ins Gebiet kamen. Zumindest diese Entwicklung kann sich in den Folgejahren unter Umständen auch positiv auswirken: Ein fischfreies Gewässer bedeutet für viele Insektenlarven und Amphibienlaich ein Fehlen von Fressfeinden. Damit könnte sogar im günstigsten Fall eine Neuansiedelung einiger Arten einher gehen.

Dürre anhand Beringungsergebnissen nachvollziehbar

Einer von insgesamt drei Flussregenpfeifern (Foto: T. Hoffmeister)
Die Auswirkungen des Wetters schlagen sich auch unmittelbar auf die Fangergebnisse der Beringungsstation nieder: Das wenige Wasser hat dazu geführt, dass dieses Jahr nur wenige Limikolen und Rallen gefangen wurden. In diesem Jahr wurde bislang kein Tüpfelsumpfhuhn gefangen, zuletzt war dies 2016 der Fall. Auch Limikolen machen sich rar: Nur jeweils Bekassinen und Flussuferläufer konnten im Sommer gefangen werden (vgl. 2018: 13 Bekassinen, 6 Flussuferläufer). Allerdings: Eine neue Art entdeckt das plötzlich veränderte IKEA-Biotop für sich: Die ausgetrockenen Gewässerbetten wirkten attraktiv auf Flussregenpfeifer, die zum ersten Mal überhaupt gefangen werden konnten! An mehreren Terminen wurden insgesamt drei Individuen beringt, so dass man hier nicht bloß von Zufall ausgehen muss.

Im Namen der NABU-Beringungs-AG,
Thorin Hoffmeister & Sebastian Kiepsch

05.09.2019

Buschspötter - Saarländischer Erstnachweis an der NABU-Beringungsstation

Hallo zusammen!

Buschspötter (Iduna caligata), 1.KJ, Erster Nachweis für das Saarland
durch Fang und Beringung im IKEA-Biotop am 05.09.2019
(Foto: Sebastian Kiepsch)
 Aus aktuellem Anlass eine kurze Neuigkeit der Beringerinnen und Beringer aus dem IKEA-Biotop:

Fangstandort des Buschspötters inmitten des Schilfgürtels.
(Foto: Sebastian Kiepsch)
Heute wurde gegen 08:00 Uhr ein junger Buschspötter (Iduna caligata) im IKEA-Biotop gefangen und beringt. Für die Art ist dies der erste Nachweis überhaupt im Saarland.

Der Vogel hing auf einem der morgentlichen Rundgänge in einem Fangnetz inmitten eines Schilfbestands und wurde vom Team um Thorin Hoffmeister sofort am Netz als auffällig erkannt.




Busch oder Steppe - Das ist hier die Frage

Buschspötter - zu erkennen sind die warm braune Oberseite und
der deutlich ausgedehnte Überaugenstreif.
Ebenfalls die für Spötter typischen, hellen Schwanzaußenkanten.
(Foto: Sebastian Kiepsch)
Als kleiner brauner Vogel ist der Buschspötter in Gesellschaft einiger sehr ähnlicher Arten, die sich nur in Details unterscheiden, wie z.B. geringen Farbabweichungen in der Gefiederzeichnung, kleinen Unterschieden in Kopfform und Schnabelform bzw. auch in der Flügelform.

Eine sehr nahe verwandte Art, der Steppenspötter (Iduna rama) muss daher auch bei der Bestimmung sicher ausgeschlossen werden. Für Buschspötter spricht im Falle dieses Vogels das sehr rundliche Kopfprofil, die warm braune Oberseite und die deutliche Ausdehnung des hellen Überaugenstreifs. Untypisch sind hingegen die einfarbigen Beine ohne deutlich abgesetzte Füße sowie die recht kräftige Schnabelform und helle Schnabelfärbung. Doch gerade bei Hornteilen ist bei jungen Vögeln noch eine abweichende Färbung möglich, so dass zumindest dieser Zweifel weitgehend unbegründet scheint.

Buschspötter beim Wiegen. Deutlich zu erkennen sind
hier die – untypisch für die Art – einfarbigen Beine.
(Foto: Sebastian Kiepsch)
In der Summe handelt es sich aufgrund der Vielzahl passender Merkmale daher nach unserer Beurteilung um einen Buschspötter, wir sind aber natürlich offen für weitere Einschätzungen. Letztendlich planen wir aber auch, an entnommenen Federproben eine genetische Untersuchung durchzuführen. Das wird uns dann absolute Klarheit geben.


Vielen Dank an dieser Stelle auch an alle, die uns spontan mit ihren Bestimmungshinweisen geholfen haben!






Buschspötter - Seltener Irrflügler aus dem Osten

Flügel des Buschspötters. Bestimmungsrelevant ist u.a.
die Länge der äußersten langen Handschwinge (rechts)
im Vergleich mit den restlichen Flügelfedern.
(Foto: Sebastian Kiepsch)
Der Buschspötter ist eigentlich eine Brutvogelart Westasiens und überwintert in Indien. Zurzeit dehnt sich die Verbreitung Richtung Westen aus, der Buschspötter brütet bereits in Ostfinnland und im Baltikum. Auf seiner gewohnten Zugroute käme der Buschspötter eigentlich niemals in Westeuropa vor, dennoch gibt es gelegentlich auch Herbstnachweise in Deutschland, zuletzt am 13.09.2018 auf Helgoland. Allerdings ist die Art alles andere als regelmäßig vorzufinden und wird bei weitem nicht jedes Jahr festgestellt.

Bei diesen Irrgästen handelt es sich möglicherweise um genetisch fehlgeprägte Vögel, die einen sogenannten "Spiegelzug" in die falsche Himmelsrichtung durchführen. Beim Buschspötter, wie bei vielen anderen ziehenden Kleinvogelarten, werden Zugwege und -zeitpunkte nicht von Altvögeln erlernt, sondern durch ein "genetisches Gedächtnis" vererbt. Hier kann es durch zufällige Mutationen zu Fehlern kommen, so dass sich entweder eine Verschiebung oder sogar eine Umkehr von Zugrouten ergibt. In vielen Fällen endet dies für die Vögel leider tödlich, da keine geeigneten Rast- und Überwinterungsbiotope auf der falschen Route zu finden sind. Bei anderen Arten (wie z.B. Gelbbrauen-Laubsängern) wird aber auch diskutiert, ob sich auf diese Art und Weise eine neue Zugroute etablieren kann.


Herbstzug 2019 - Zusammenfassung in aller Kürze

Ein kurzes Update zur momentanen Herbstzugsaison sei an dieser Stelle auch noch erlaubt: Bislang gab es einige wirklich starke Tagen mit vielen Rohrsängern, unter anderem wurde sogar der Tagesrekord mit 535 gefangenen Vögeln am 17.08.2019 gebrochen. Außerdem sind auch schon einige weitere Höhepunkte an Arten zu verzeichnen. Gleich drei neue Erstberingungen mit dem Flussregenpfeifer, dem Pirol und dem Habicht, die alle noch nie zuvor gefangen wurden konnten. Außerdem gelangen noch zwei Zweitfänge für das Gebiet mit dem Ortolan und der Sperbergrasmücke. Letztere wurde erst zum zweiten Mal im Saarland nachgewiesen (nach unserem Fang 2014).

Auf alle Fälle ist der Buschspötter unser bislang spannendster Fang 2019. Wir hoffen natürlich auf weitere Highlights, einige spannende Wochen stehen uns noch bevor!

Im Namen der gesamten Beringungs-AG,
Sebastian Kiepsch