30.09.2014

Gelbbrauen-Laubsänger - Erstnachweis (?) für das Saarland

Hallo zusammen!

Diesjähriger Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus)
Erstnachweis mit Fragezeichen, aber in jedem Fall ein absolutes Highlight!

Wenn's läuft, dann läuft's! Das gilt in diesem Jahr auch für die Beringung im Saarland. Nachdem der Fang der Sperbergrasmücke (Silvia nisoria) nun gerade mal 9 Tage zurück liegt, folgte mit einem Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus) am gestrigen Montag (29.09.2014) direkt die nächste Seltenheit!

 
Darf ich vorstellen - Gelbbrauen-Laubsänger

Kleiner Vogel - großes Interesse!
(v.l.n.r: Sebastian Kiepsch, Rudi Reiter, Lothar Hayo,
Fabian Feß, Rolf Klein, Robin Speicher, Pierre Geller)

Der gerade mal ca. 10 cm lange und etwa 7 Gramm schwere Gelbbrauen-Laubsänger ist Brutvogel im Norden Russlands bis Sibirien und überwintert in Südostasien, Trotz dieser Artbeschreibung gibt es jährlich zahlreiche Nachweise aus Nord- und Mitteleuropa, vor allem auf den Inseln in Nord- und Ostsee sowie im Küstenbereich. Mitunter tritt dieser Vertreter der Laubsänger-Gattung auch weiter im Binnenland auf, so unter anderem 2012 in Luxemburg.

Seit Jahren wird bereits diskutiert, ob ein Teil der Population auch neue Winterquartiere im Westen Afrikas erschlossen hat, bislang kann dies noch nicht durch Ringfunde bestätigt werden. Ein von der Zentrale Helgoland beringter Gelbbrauen-LS wurde im letzten Winter auf den kanarischen Insen wiederentdeckt, was diese Diskussion erneut angefacht hatte! Es ist auf jeden Fall eine sehr aktuelle Fragestellung der wissenschaftlichen Ornithologie, zu deren Aufklärung die Beringung eine entscheidende Rolle spielt.


Fang mit Ansage - aber an neuer Örtlichkeit!


Beringungsstation Klein's Garten - Ein Streuobstbestand mit
Hecken und einigen Nadelbäumen (hier nicht im Bild)
Da hatten wir ja ganz gut orakelt! Im letzten Post wurde er noch als heißer Kandidat für die Beringung gehandelt, jetzt gelingt der Fang. Auch hier gilt aber wieder: Über 50.000 Vögel wurden in den letzten 10 Jahren im Saarland gefangen - ohne einen Gelbbrauen-Laubsänger Es steckt also ein gewaltiger Arbeitsaufwand hinter dem Nachweis, der ohne den kontinuierlichen Einsatz vieler Helfer so nicht möglich wäre.

Ein Gruß an dieser Stelle auch an die Tagungsteilnehmer des Proring-Seminars in Dessau! Dort hatten wir am vergangenen Wochenende neben zahlreichen interessanten Vorträgen auch viele nette Beringer aus anderen Teilen der Republik kennen gelernt. Oft kamen wir auch auf seltene Arten zu sprechen und stets sagten wir, dass unser nächster Fang ein Gebbrauen-LS wird. Falls ihr uns also die Daumen gedrückt habt - es hat sofort genutzt!

Im Gegensatz zur Sperbergrasmücke wurde dieser Vogel aber nicht im IKEA-Biotop gefangen, sondern auf einer Vergleichsfläche ("Klein's Garten") in Biringen (Gemeinde Rehlingen-Siersburg). Gelbbrauen-Laubsänger sind in den Rastgebieren gerne mit Wintergoldhähnchen (Regulus regulus) vergesellschaftet - einer Art, die im IKEA-Biotop nur äußerst selten gefangen wird. Da sieht es in Klein's Garten durch einige Nadelbäume etwas anders aus.


Klein's Garten - was ist das?

Fast das Tageshighlight gestern - Steinkauz (Athene noctua)
Ebenfalls gefangen in Klein's Garten
Seit Ende 2013 betreiben wir eine kleine Beringungsaktion auf einer Streuobstwiese, die zum Grundstück von Rolf Klein gehört. Die Idee zur Beringung auf dieser Fläche kam während des letzten Herbstzugs: Wind und Wetter beeinflussen den Vogelzug extrem. Wenn sich in den Niederungen des Saartals herbstlicher Nebel breit macht, sind die höheren Lagen für durchziehende Vögel attraktiver - so lautet unsere Hypothese. Um diese zu testen, wurde eine Vergleichsfläche zum IKEA-Biotop erschlossen, nur mit deutlich weniger Netzen. Desweiteren soll auf dieser Fläche eine jährliche Wintergasterfassung zur Ermittlung der Standorttreue von Wintervögeln durchgeführt werden.
Aktuell läuft ein Probejahr der Beringung vor Ort, im nächsten Jahr soll die Erfassung dann in systematischer Art und Weise ablaufen. Angesichts dieser Ergebnisse sind wir sehr gespannt!


Wirklich Erstnachweis?

Verbreitung des Gelbbrauen-LS seit 01.08.2014
So weit im Binnenland war bislang noch keiner!
(Quelle: ornitho.de)
Für uns eindeutig: JA!

Schaut man aber in die Literatur, so findet man für das Saarland einen Nachweis des Gelbbrauen-Laubsängers aus dem Dezember 1963, als ein Exemplar angeblich an einem Futterhaus in einem Auwald beobachtet wurde (Anm. 07.10.: Nach Durchsicht der alten Mitteilungen von 1963 war die Beobachtung nicht an einer Futterstelle). Der Nachweis wurde damals durch eine Komission bearbeitet und bestätigt, jedoch ohne jegliche Dokumentation durch Bilder, Tonaufnahmen oder ähnliches.
Zur damaligen Zeit war das Wissen über diese Art aber noch wesentlich geringer und die Nachweisquote in Mitteleuropa auch deutlich seltener. Heute ist bekannt, dass der Gelbbrauen-Laubsänger ein "Durchzugsfenster" von Ende September bis Ende Oktober aufweist und Nachweise außerhalb dieser Zeit höchst unwahrscheinlich sind. Außerdem tritt die Art praktisch nie an Futterstellen mit Körner-/Fettfutter auf, sondern ähnlich den hierzulande überwinternden Zilpzalpen an Orten, wo sie auch im Winter Insekten finden.
Unabhängig von unserem Fang bedarf es der kritischen Beurteilung von Erstnachweisen durch die saarländische Seltenheitenkomission (AKSL) - nicht nur für diese Art! Das Wissen in den letzten Jahrzehnten hat sich für zahlreiche Arten enorm weiterentwickelt, daher sollte man alte Dokumentationen umso genauer unter die Lupe nehmen.



So kann es jedenfalls weitergehen, von unserer Seite steht ein langes Wochenende mit etwas Zeit zum Beringen an - mal schauen, welche Seltenheit sich als nächstes zu uns verfliegt!



Viele Grüße im Namen des gesamten Beringungs-Teams,
Sebastian Kiepsch



21.09.2014

Sperbergrasmücke - Erstnachweis für das Saarland!

Hallo zusammen!

Aus aktuellem Anlass gibt es einen kurzen Vorabbericht der Herbstzugberingung:

Am gestrigen Samstag gelang unserem Team gegen 11:00 Uhr der Fang einer Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria) im IKEA-Biotop. Dies ist der erste Nachweis dieser Art überhaupt im Saarland!


Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria), der am 20.09. beringte Jungvogel


Für das IKEA-Biotop ist dies die 172. nachgewiesene Art und die 111. Art, welche von uns beringt werden konnte.


Nach 6 Jahren endlich drin!

Sperbergrasmücke, Schwanzzeichnung
Bereits seit Beginn der Arbeit an der Station "Mittleres Saartal" im Jahr 2008 war diese Art stets als mögliche Ausnahmeerscheinung gehandelt worden, zumal es bereits Nachweise aus dem Nachbarland Luxemburg gibt, die ebenfalls alle durch Beringung erzielt wurden.

Es war für uns mit dem Start der intensiven und systematischen Beringungstätigkeit eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis wir "sie" endlich haben. Nun ist es nach mehr als fünf Jahren endlich gelungen.

Der gestern erzielte Fang ist nur aufgrund der langjährigen Arbeit vieler Menschen vor Ort gelungen, die in rein ehrenamtlicher Tätigkeit ihre Freizeit und Arbeitskraft eingesetzt haben, um diese biologische Langzeitstudie am Leben zu erhalten!


Ohne Beringung keine Chance auf Nachweis!

Hier war sie drin! Fangstandort der Sperbergrasmücke mit
Brombeergebüschen und Feldgehölzen am Rand des Biotops
Nicht, dass wir unseren Ornithologenkollegen ihre Kompetenz absprechen möchten, doch Nachweise wie dieser sind ohne die Beringung nur schwer realisierbar. Es ist die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen: In fünf Jahren systematischer Arbeit, mit 500 Fangtagen und insgesamt mehr als 50.000 Vögeln wurde gerade mal eine einzige Sperbergrasmücke gefangen.

Hinzu kommt die Tatsache, dass Sperbergrasmücken auf dem Zug nicht unbedingt auffallen: Meist sind sie in dichten Hecken anzutreffen und verhalten sich (bis auf Warnrufe) äußerst heimlich. Man kann den Vogel also - wenn er sich denn einmal irgendwo aufhält - auch nur schwer feststellen. Und damit ist er nicht alleine! Zahlreiche - auch häufigere - Arten werden im Saarland fast nur durch die systematische Beringung erfasst, so z.B. der Rohrschwirl (Locustella luscinioides) und der Schilfrohrsänger (Acrocephalus schoenobaenus).


...und was genau führt sie ins Saarland?

Sperbergrasmücke, Kopfansicht. Die sehr helle Augenfarbe
ist eigentlich untypisch für Jungvögel, vermutlich ist dieses
Exemplar in seiner Entwicklung schon fortgeschrittener.
Die Sperbergrasmücke brütet in Deutschland nur in Ostdeutschland, ihr Verbreitungsgebiet umfasst ziemlich genau den Bereich der neuen Bundesländer. Wo sie dort vorkommt, ist sie mäßig häufig, also bei weitem kein "Allerweltsvogel". Die Sperbergrasmücken machen sich ab August auf den Weg in ihr Winterquartier, ihre Zugstrecke führt sie für gewöhnlich über Südosteuropa und die Arabische Halbinsel ins östliche Afrika. Im Frühjahr wird die gleiche Route in umgekehrter Richtung dann wieder genutzt, um in die Brutgebiete zurückzukehren. Das Saarland sollte also eigentlich nicht von dieser Art überflogen werden. Warum also kommt es doch immer wieder zu einzelnen Feststellungen der Sperbergrasmücke westlich ihres gewohnten Verbreitungsraums?

Sperbergrasmücke, Verbreitung 2014
Der rote Punkt im Saarland kennzeichnet unseren
Fang und ist weit und breit der einzige Nachweis
Quelle: ornitho.de
Eine mögliche Hypothese ist das Phänomen des "Spiegelzugs". Bei den meisten Kleinvogelarten wird das Zugverhalten und die Zugroute nicht von den Eltern oder anderen Altvögeln erlernt, sondern ist in der Genetik der Art verankert. Durch Veränderungen der genetischen Veranlagungen ist ein Abweichen von der gewohnten Zugroute bis hin zu einer vollständigen Umkehr der Zugrichtung denkbar - aus Ost wird West. Jedes Jahr tauchen selbst Sibirische Brutvögel in Mitteleuropa auf, die normalerweise Richtung Südosten ziehen sollten. Auch Sperbergrasmücken machen hier keine Ausnahme; zurzeit findet vor allem im Bereich der Nordseeinseln auch ein kleiner Einflug dieser Art statt (vgl. Verbreitungskarte). Die so auftretenden Vögel sind fast ausschließlich Jungvögel und leider werden diese mit größter Wahrscheinlichkeit den ersten Wegzug auch nicht überleben, da entlang der falschen Route einfach die geeigneten Rast- und Überwinterungsgebiete fehlen.


Neue Ziele - neue Arten

Eine neue Art für die saarländische Artenliste bedeutet auch unweigerlich die Frage, was denn eigentlich noch hierzulande nachgewiesen werden könnte. Hier ein paar der heißesten Kandidaten:
  • Kleines Sumpfhuhn (Porzana parva) bzw. Zwergsumpfhuhn (Porzana pusilla) - beides Brutvögel in Deutschland, aber nicht im Saarland. Ihre Lebensweise in Feuchtgebieten ist sehr zurückgezogen, sie sind abgesehen von ihren Rufen nur schwer nachweisbar. Doch eben diese Rufe äußern beide Arten nur im Brutgebiet. Auf dem Durchzug, welcher sie mit Sicherheit auch über das Saarland führt, ist man auf Zufallsbeobachtungen (oder eben Zufallsfänge) beschränkt. Für beide Arten ist das Saarland noch ein weißer Fleck auf der Landkarte, in den Nachbarregionen gibt es bereits fast überall Nachweise. Als eines der wichtigsten Feuchtgebiete des Saarlands ist das IKEA-Biotop praktisch prädestiniert.
  • Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus) - Brutvogel im Norden Russlands bis Sibirien, der zwar eigentlich in Südostasien überwintert, aber alljährlich nach Mitteleuropa einfliegt. Auch hier gibt es bereits Nachweise aus Luxemburg und Westdeutschland.
  • Mariskenrohrsänger (Acrocephalus melanopogon) - Brutvogel in Südeuropa bis Österreich, die nördlichen Brutvögel ziehen im Winter nach Südeuropa und kommen im Frühjahr wieder zurück. Dabei schießen einige Exemplare je nach Witterung auch "über das Ziel hinaus" und werden in Deutschland gesichtet bzw. auch gefangen, wie z.B. in diesem Jahr in einem Beringungsprojekt am Eich-Gimbsheimer Altrhein nahe Worms.
Neben diesen Arten können auch vollkommen unwahrscheinliche Arten auftreten, so geschehen zum Beispiel in Luxemburg, wo 2012 gleich zwei Feldrohrsänger (Acrocephalus agricola) auftauchten - weit und breit die einzigen Vertreter der von Zentralasien bis Osteuropa brütenden Art. Und das ist nur eines von vielen Beispielen für extremste Raritäten.

So oder so, wir hoffen, dass wir nicht wieder fünf Jahre auf den nächsten Erstnachweis warten müssen! Jetzt geht jedenfalls der Herbstzug weiter und ein guter Teil der durchziehenden Vögel steht noch aus. Da ist noch einiges drin!

Im Namen des gesamten Beringungsteams,
Sebastian Kiepsch