Der Winter ist traditionell die ruhigste Jahreszeit an der NABU Beringungsstation: Im Gegensatz zu den Hunderten Durchzüglern pro Tag, die zwischen August und Oktober das IKEA-Biotop zur Rast aufsuchen, herrscht von Dezember bis März eine fast ungewohnte Ruhe. Statt Gewusel im Schilf und Gesängen und Rufen aus allen Ecken des Gebiets sind kaum Vögel zu sehen und hören, mit Ausnahme einiger wenige Wintergäste, die zum Schlafen oder zur Suche nach der nun spärlichen Nahrung einfallen. Aus diesem Grund ist auch die Beringungstätigkeit im Winter auf wenige Aktionen beschränkt, bei denen es hauptsächlich um die Erfassung der einzelnen Individuen geht. Das Ziel ist es dabei, die standorttreuen Überwinterer genauer zu studieren.
Der Winter ist aber auch eine Zeit der Auswertung und Analyse der Daten des Vorjahres. Einen Einblick in diese Tätigkeit haben wir ja bereits bezüglich der Brutzeiterfassung gegeben, ein weiteres sehr interessantes Feld soll Thema dieses Beitrags sein: Ringfundmeldungen.
Der Winter ist aber auch eine Zeit der Auswertung und Analyse der Daten des Vorjahres. Einen Einblick in diese Tätigkeit haben wir ja bereits bezüglich der Brutzeiterfassung gegeben, ein weiteres sehr interessantes Feld soll Thema dieses Beitrags sein: Ringfundmeldungen.
Hintergrund: Koordination durch Beringungszentralen
Eines der großen Ziele der Vogelberingung ist es, über Wiederfunde beringter Vögel das Wissen über Zugbewegungen, Ökologie und Verhaltensmuster zu erweitern. Die NABU-Beringungsstation ist zu diesem Zweck eingegliedert in ein grenzüberschreitendes Netz von Vogelberingungszentralen und dabei der Vogelwarte Radolfzell unterstellt. Diese ist zuständig für Süddeutschland, während der Nordwesten der Bundesrepublik durch die Vogelwarte Helgoland, sowie die neuen Bundesländer durch die Vogelwarte Hiddensee betreut werden. Die Beringungszentralen erfüllen dabei nicht nur eine Verwaltungsaufgabe, sondern sind vor allem zuständig für die Ausgabe der individuell numerierten Vogelringe an die Beringer. Im Gegenzug liefern die Beringer sämtliche erfassten Daten jährlich bei der zuständigen Vogelwarte ab, welche ein zentrales Archiv führt. Weiterhin dienen die Vogelwarten auch als Anlaufstelle für Meldungen zu beringten Vögeln, die neben den jährlichen Datensätzen der Beringer natürlich auch von Privatpersonen stammen.
Wer einen beringten Vogel abliest oder tot auffindet, kann die entsprechenden Daten mittlerweile europaweit zentralisiert unter www.ring.ac eingeben. von dort werden sie an die Beringungszentralen weitergeleitet, die dann den Findern und Beringern einen Lebenslauf des Vogels übermitteln. Im Falle der NABU Beringungsstation fallen im Schnitt knapp 50 solche Ringfundmeldungen im Jahr an, die entweder von uns beringte Vögel an anderen Orten betreffen, oder aber Informationen zu von uns gefangenen Vögeln mit fremden Ringen beinhalten. Der Wermutstropfen an diesem Verfahren ist der enorme Zeitaufwand, bis alle beteiligten Personen und Institutionen kommuniziert haben: Im Schnitt dauert es vom Fang zur Fundmeldung mehrere Jahre! Aktuell sind wieder etliche Meldungen, vor allem aus den Jahren 2013 und 2014 aufgelaufen, die wir nun genauer unter die Lupe genommen haben. Darunter einige überaus interessante Fälle...
Beringtes Rotkehlchen Wenn Sie einen beringten Vogel ablesen können oder tot auffinden, melden Sie bitte die Daten unter www.ring.ac an die zuständige Beringungszentrale. JEDE MELDUNG ZÄHLT! |
Saarlouiser Blaumeise in Ungarn
Auch Blaumeisen sind teilweise Zugvögel, die nördlichen Populationen überwintern in Mittel- und Südeuropa |
Feldlerche in Frankreich tot aufgefunden
Seit 2012 konnten im IKEA-Biotop knapp 400 Feldlerchen beringt werden. 2013 gab es den ersten Wiederfund. |
Schilfrohrsänger ziehen über Italien
Standorttreue Beutelmeisen
Bei einem Durchmesser von gerade einmal 2,3 mm ist der Ring der Beutelmeise fast nur in der Hand ablesbar. Ein Fotograf in der Schweiz hat nun das Gegenteil bewiesen. |
Die Art mit der höchsten Quote an Ringfunden ist mit weitem Abstand die Beutelmeise. Im Schnitt ist jede zwölfte Beutelmeise entweder bereits anderenorts beringt worden, oder wird erneut in einem anderen Gebiet gefangen. Eine aktuelle Wiederfundmeldung ist dabei aufgrund der Umstände besonders eindrucksvoll: Eine von uns 2010 beringte Beutelmeise wurde 2014 am Genfer See wiederentdeckt - anhand eines Fotos! Die Ablesung des Rings gelang dabei nur teilweise, dennoch konnten die Buchstaben & Ziffern in Kombination mit dem Schriftzug "Radolfzell" eindeutig diesem Individuum zugeordnet werden.
Besonders bemerkenswert ist auch die Bindung der Beutelmeisen an ihre Rastgebiete. Ganze 19 Funde der im IKEA-Biotop beringten Individuen stammen aus einem einzigen französischen Feuchtgebiet an der Gironde (Departement Charente-Maritime), umgekehrt konnten wir bereits sechs dort beringte Beutelmeisen fangen. Auch bei den aktuellen Ringfundmeldungen waren wieder zwei Mitteilungen aus diesem Gebiet zu finden. Daneben gibt es noch weitere Standorte mit mehreren Wiederfunden der Beutelmeise, z.B. den Rietzer See in Brandenburg. Nur durch die Beringung konnte diese europaweite Vernetzung von Feuchtgebieten gezeigt werden!
Mönchsgrasmücke auf Abwegen?
Dass Zugwege sich über die Jahre auch verändern können, zeigt die Mönchsgrasmücke ganz aktuell. Seit Jahren ist bekannt, dass ein Teil der Mönchsgrasmücken im Herbst nicht mehr gen Südeuropa zieht, sondern statt dessen in Großbritannien überwintert. Dieses neue Überwinterungsgebiet, wohl begünstigt durch den fortschreitenden Klimawandel, hat sich dabei mehr und mehr etabliert. Ein aktueller Wiederfund einer "saarländischen" Grasmücke passt dabei ebenfalls in dieses Bild: Von uns beringt im September 2013 wurde sie einen knappen Monat später in Nordbelgien erneut gefangen. Falls die Grasmücke diesen Kurs beibehalten hat, führte sie ihr Zug wohl zum Überwintern nach England.
Flussuferläufer aus Schweden
Die Strecke vom schwedischen Öland bis ins Saarland (1.000 km Luftlinie) schaffte der Flussuferläufer in 4 Tagen (Quelle: Google Maps) |
Zu guter Letzt noch eine Ringfundmeldung, auf die wir schon seit Jahren gewartet haben - und das Warten hat sich gelohnt!
Im Sommer 2013 gelang der Fang eines jungen Flussuferläufers mit schwedischem Ring, wir berichteten. Dies war der erste Fremdfang für diese Watvogelart, die ohnehin bis heute erst 17 Mal im IKEA-Biotop beringt wurde. Noch spektakulärer wurde der Fang durch die Ringfundmeldung: Der Flussuferläufer wurde als Durchzügler in der 1.000 km entfernten Ottenby Vogelstation an der Südspitze Ölands (siehe Karte) beringt, sage und schreibe vier Tage vor unserem Fang. Dies beweist eindrucksvoll, zu welchen Leistungen Zugvögel im Stande sind - insbesondere auch Jungvögel, die erst 2-3 Monate alt sind.
Im Sommer 2013 gelang der Fang eines jungen Flussuferläufers mit schwedischem Ring, wir berichteten. Dies war der erste Fremdfang für diese Watvogelart, die ohnehin bis heute erst 17 Mal im IKEA-Biotop beringt wurde. Noch spektakulärer wurde der Fang durch die Ringfundmeldung: Der Flussuferläufer wurde als Durchzügler in der 1.000 km entfernten Ottenby Vogelstation an der Südspitze Ölands (siehe Karte) beringt, sage und schreibe vier Tage vor unserem Fang. Dies beweist eindrucksvoll, zu welchen Leistungen Zugvögel im Stande sind - insbesondere auch Jungvögel, die erst 2-3 Monate alt sind.
Mit diesen spannenden Ergebnissen möchten wir diesen Bericht abschließen, schon bald soll an dieser Stelle auch der Jahresbericht 2015 erscheinen. Auch die Arbeit im IKEA-Biotop wird bald wieder aufgenommen, bis zum Frühjahr sind noch Pflegemaßnahmen im Gebiet geplant, bevor die Frühjahrszugberingung dann Mitte März startet.
Im Namen des gesamten Beringungs-Teams,
Sebastian Kiepsch
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