Der Herbstzug 2013 ist im IKEA-Biotop bereits im vollen Gange und für einige Arten bereits so gut wie vorüber, es ist an der Zeit schon einmal zurückzublicken auf die Ergebnisse der letzten Wochen.
Wetter: Viel Sonnenschein im August und Rekordregenmengen im September
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Neuntöter (Lanius collurio)
Ein Jungvögel aus der Brut 2013, der ersten Brut des
Neuntöters im IKEA-Biotop seit über 10 Jahren |
Das Wetter war in dieser ersten Zughälfte überwiegend positiv. Von Ende Juli bis Anfang September sank durch lange und beständige Phasen mit Sonnenschein der Wasserstand immer weiter ab, die Schlickflächen lagen offen. Das Nahrungsangebot für die im Biotop brütenden, bodenbewohnenden Rallen und durchziehende Watvögel war ausgezeichnet und so konnten zahlreiche Fänge und Beobachtungen von Vertretern beider Artengruppen verzeichnet werden. Auch spät brütende Arten, die Ende Juli noch mit der Jungenaufzucht beschäftigt sind, profitierten vom guten Wetter - so z.B. auch das im Biotop brütende Neuntöter-Paar, das mindestens 2 ausgeflogene Jungvögel hervorbrachte.
Das Kontrastprogramm zum freundlichen Wetter im Juli und August folgte Anfang bis Mitte September: Ein Sturmtief brachte nach langer Hochdruckphase über zwei Wochen hinweg viel Regen. Den traurigen Höhepunkt dieser Phase stellte eine Gewitterfront dar, die ausgerechnet in der Nacht auf unseren Tag der offenen Tür am 08.09. ankommen musste und mit ca. 30 l/m² das Gebiet regelrecht überflutete, aber im Gegensatz dazu die Besucherflut in Grenzen hielt.
Tag der offenen Tür: Es gibt kein schlechtes Wetter...
...nur schlechte Ausrüstung: Das erste Opfer des ankommenden Gewitters war ein Pavillon, der gegen 02:00 Uhr unter der Last extremer Regenmengen in kürzester Zeit zusammen brach und irreparabel beschädigt wurde. Dieser wurde kurzerhand morgens in ein "Sonnensegel" umfunktioniert.
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Wendehals (Jynx torquilla)
Ohne Zweifel der Publikumsliebling des Tages |
Noch im letzten Jahr beklagten sich einige Besucher über die extreme Hitze bei strahlendem Sonnenschein bei über 30 °C. Dieses Problem hatten wir in diesem Jahr definitiv nicht. Bis zuletzt sorgte sich unser gesamtes Team, ob man angesichts des Regens überhaupt die Netze aufmachen und fangen könnte. Zum Glück war aber mit dem ausgerufenen Beginn um 9:00 Uhr auch das Gröbste überstanden und der Beringungsbetrieb konnte regulär weiterlaufen. Über den Tag hielt das Wetter dann erstaunlich lange und lockte speziell am Nachmittag auch den einen oder anderen Interessierten ins IKEA-Biotop.
Insgesamt war der 4. Tag der offenen Tür im IKEA-Biotop einigermaßen erfolgreich und wer kam, konnte auch einige beeindruckende Fänge bestaunen, darunter eine Lachmöwe, ein Kleinspecht, mehrere Blaukehlchen und ein Wendehals.
An dieser Stelle sei nochmals allen Helfern gedankt, die zu diesem Tag beigetragen haben! Ohne euch wäre der Tag der offenen Tür nicht möglich!
Allgemeine Ergebnisse: Früher Start der Erfassung
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Der Sumpfrohrsänger (Acrocephalus palustris)
verbringt gerade einmal 3 Monate in Mitteleuropa |
In diesem Jahr
begann die Herbstzugerfassung bereits am 21. Juli. Dies sollte
insbesondere den Zug der Sumpfrohrsänger genauer aufschlüsseln, einer
der sehr früh ziehenden Arten. In den letzten Jahren lief die
Brutzeiterfassung stets bis Ende Juli, erst ab August wurde mit der
zeitlich intensiveren Herbstzugberingung begonnen. Zu diesem Zeitpunkt
ist aber der Zughöhepunkt der Sumpfrohrsänger fast schon erreicht. Es
konnte also kein verlässlicher Zeitpunkt für den Zugbeginn im Saarland
angegeben werden. Ähnlich verhält es sich auch bei anderen Arten, die
schon früh aufbrechen.
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Gartengrasmücke (Sylvia borin)
Der Zug ins Winterquartier beginnt für sie schon im Juli |
Das Ziel der Juli-Aktion lag
aber auch in der Aufklärung, ob sich das Artenspektrum während des sehr
frühen Zugs im Juli sich von dem im August unterscheidet. In der
Vergangenheit wurde anhand großer Fangzahlen gegen Ende der Brutzeit
schon vermutet, dass ein beachtlicher Teil des Zuges sozusagen
"übersehen" wird. Auch die Brutzeitfänge zweier Karmingimpel 2010 und
2012 zeigten, dass mit dem Auftreten ungewöhnlicher Arten zu rechnen ist.
Was die frühe Erfassung zeigte: Große Überraschungen gab es keine, aber einige kleine. So ist der Zug bei Watvögeln wie dem Flussuferläufer und dem Waldwasserläufer gegen Ende Juli schon sehr ausgeprägt. Auch je ein Wendehals und Eisvogel wurden gefangen, die sonst erst Mitte August ihren Zug antreten.
Häufige Arten: Viele Grasmücken und späte Rohrsänger
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Dorngrasmücke (Sylvia communis)
Wie die anderen Grasmücken auch frisst sie Ende August
sehr häufig an den Brombeersträuchern im IKEA-Biotop |
Auffallend waren in diesem Jahr an allererster Stelle die enormen Fangzahlen bei
Dorn- und Gartengrasmücke, mit einem Rekordergebnis von jeweils über 300
Exemplaren! Insbesondere im Vergleich mit dem Mittelwert der Vorjahre sticht 2013
hervor. Die Ursachen liegen wohl in zwei Gründen: Zum Einen war der
Bruterfolg 2013 für spät brütende Arten groß, da das Wetter in der
zweiten Hälfte der Brutzeit sehr stabil war. Zum anderen spielt auch der
Wandel der Vegetation im Biotop eine
Rolle, denn gerade die sich ausbreitenden Brombeergebüsche werden von Grasmücken bei der Nahrungssuche angeflogen.
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Zahl der Neuberingungen für Dorn- und Gartengrasmücke pro Tag
von Ende Juli (JL3) bis Ende Oktober (OK3), in Dekaden (10-Tages-Intervalle).
Man beachte die im Verhältnis gewaltigen Zahlen Ende August (AU3) |
Trotz geringerer Beringungstätigkeit: Nach 2009 und 2010 konnten erneut über 2.500 Teichrohrsänger beringt werden und der Zug ist noch nicht ganz beendet! Sogar die Rekordzahl scheint noch in greifbarer Nähe zu sein. Dies zeigt einerseits, dass der Bruterfolg in diesem Jahr offenbar recht gut war, andererseits aber auch, dass das Gebiet den Massen rastender Rohrsänger (teils über 200 pro Tag auf 5 Hektar) genügend Nahrung bietet. Der Zug der Teichrohrsänger scheint dabei im Vergleich mit den Daten der Vorjahre zeitlich etwas nach hinten verschoben zu sein, was eventuell für eine große Zahl später Bruten sprechen könnte.
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Zahl pro Tag neu beringter Teichrohrsänger, aufgetragen in Dekaden (10-Tages-Intervalle)
von Ende Juli (JL3) bis Ende Oktober (OK3). 2013 setzte der Zug später ein als im Mittel 2006-2012 |
Mittelhäufige Arten: Gewinner und Verlierer
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Rekordfangzahl beim Eisvogel (Alcedo atthis)
Bisher wurden 2013 bereits 20 Exemplare beringt |
Wie bereits
im letzten Beitrag beschrieben ist die natürliche Sukzession (die Entwicklung der Vegetation im Biotop) ein Hauptgrund für die Veränderungen in Fangzahlen und Artenspektrum. Große Abnahmen konnten wir vor allem bei Neuntötern und Orpheusspöttern feststellen, die offene Landschaften mit einzelnen Gebüschen bevorzugen. Außer dem Neuntöter- Brutpaar und seinem Nachwuchs wurden nur wenige weitere Durchzügler gefangen. Ähnlich bei den Orpheusspöttern, der Art, die offenbar am stärksten auf die Veränderungen im Biotop reagiert.
Einen anhaltend negativen Trend sieht man bei der Rauchschwalbe, die seit Jahren immer seltener im Biotop wird. Die Schwalben suchen das Gebiet abends als Schlafplatz auf, jedoch war dieser 2013 nicht jeden Tag besetzt. Ob dies der Entwicklung des Biotops oder dem bundesweit abnehmendem Trend dieser Art geschuldet ist, bleibt offen.
Der Schilfrohrsänger, der im letzten Jahr einen Einbruch der Fangzahl um 60% zeigte, ist 2013 wieder auf den Stand der Vorjahre zurückgekehrt. Die genauen Gründe für die Entwicklung im letzten Jahr sind unklar. Vermutlich spielt auch die frühe Zugphase im Juli eine große Rolle für den Schilfrohrsänger, was die Fangzahlen dieses Jahres zeigen.
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Feldschwirl (Locustella naevia)
Optisch unscheinbar, akustich unverkennbar:
Sein Gesang ähnelt den Lauten von Heuschrecken. |
Steigende Trends sind vor allem bei den Arten zu erkennen, die dichtere und höhere Vegetation bevorzugen: Die Nachtigallen zeigen im Vergleich mit den Vorjahren leicht höhere Fangzahlen, der Fitis hat sogar ein Rekordergebnis erzielt (ca. 150 Beringungen). Ebenfalls Rekord-Fangzahlen stellten daneben auch der Eisvogel (>20 Beringungen), der Wendehals, der Feldschwirl und das Blaukehlchen auf. Insbesondere bei letzterer Art spielt dabei aber wahrscheinlich auch die bundesweite Bestandsentwicklung eine Rolle, die in den letzten Jahren sehr positiv ist.
Erfreulich ist 2013 auch die Bilanz bei Teich- und Wasserrallen. Durch den niedrigen Wasserstand konnten diese Bodenbewohner, die öfter laufen als fliegen, besonders häufig gefangen werden. Gerade die späten Bruten scheinen dabei sehr erfolgreich gewesen zu sein, was der hohe Anteil noch nicht ausgewachsener Jungvögel belegt.
Seltene Arten: Wieder Zwergdommeln und Tüpfelrallen auf dem Herbstzug!
Vorab sei gesagt: Extreme Raritäten sind in diesem Jahr bislang leider keine aufgetreten, dennoch gab es einige äußerst interessante Fänge bei den Arten, die im Biotop nur selten gefangen werden.
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Juvenile Zwergdommel (Ixobrychus minutus)
Erst die 3. Beringung dieser Art im IKEA-Biotop.
Man beachte die vereinzelten Flaumfedern in Kopf- und Körpergefieder |
Der bemerkenswerteste Fang bestand in gleich 2 Zwergdommeln, der kleinsten einheimischen Reiherart. Die eine - ein Jungvogel - zeigte noch einige Flaumfedern im Gefieder, die Vermutung liegt daher nahe, dass dieser Jungvogel einer nahe gelegenen (übersehenen) Brut entstammt, was für das Saarland ein wertvoller Nachweis wäre! Die andere, ein adultes Weibchen, ist uns bereits sehr gut bekannt: Sie wurde 2010 beringt und tauchte auch 2011 bereits zur Zugzeit wieder auf. In diesem Jahr blieb sie für mehrere Wochen im Gebiet und
wurde desöfteren gefangen. Ihr Gewicht hat sie dabei innerhalb weniger
Tage um ca. 50% erhöht, ein Indiz für ein gutes Nahrungsangebot. Eine solche Standorttreue bei der Rast der Zwergdommel (außerhalb ihres
eigentlichen Brutgebiets) ist unseres Wissens in der Form noch nicht
festgestellt worden.
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Tüpfelralle (Porzana porzana)
Nach 2010 endlich wieder Nachweise beim Herbstzug! |
Ebenfalls erfreulich: Die Tüpfelralle ist nach 2010 endlich wieder auf dem Herbstzug nachgewiesen worden - und das gleich in Rekordzahl: Ganze 5 Jungvögel wurden gefangen und beringt. Dieser Bodenbewohner brütet nicht im Saarland und wird nur selten rastend beobachtet. Der Großteil der Nachweise der letzten Jahre, meist 1-2 jährlich, gelang unserem Team durch Fang und Beringung. Dass im IKEA-Biotop aber ein so reger Durchzug der Tüpfelralle herrscht, hätten auch wir nicht vermutet.
Aus saarländischer Sicht selten: Auch der Rohrschwirl war 2013 mit 5 Fängen während des Herbstzugs wieder vertreten. Diese und die beiden während des Frühjahrszugs gefangenen Rohrschwirle sind gleichzeitig laut ornitho.de die einzigen im Saarland beobachteten Vertreter ihrer Art im Jahr 2013. Definitiv eine Art, die ohne die Beringungstätigkeit übersehen bliebe.
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Flussuferläufer (Actitis hypoleucos)
Im Saarland kein Brutvogel, nur auf dem Zug zu sehen |
Eine echte Überraschung in diesem Jahr sind die Fangzahlen bei Limikolen (Watvögeln), allen voran ganze 7 Flussuferläufer. Vor 2013 gab es gerade mal 2 Fänge dieser Art! Ebenfalls überraschend: Unter ihnen war ein beringtes Exemplar, das mit einem Ring der Vogelwarte Stockholm gekennzeichnet wurde. Woher genau der Vogel stammt, erfahren wir aber leider erst mit Zeitverzögerung. Angesichts der wenigen Gesamtfänge dieser Art aber sehr spannend!
Schlusswort: Noch ist vieles drin...
Die bisherige Beringung 2013 war erfolgreich, aber brachte noch keine extremen Besonderheiten, wie in manch einem der Vorjahre. Doch die zweite Zughälfte ist berüchtigt für Irrflügler aller Art, die z.B. einfach in die falsche Richtung fliegen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Sibirische Arten in Mitteleuropa auftauchen. Gerade die bei Tag ziehenden Rohrammern (Ende September bis Ende Oktober) sind häufiger mit nordischen Seltenheiten vergesellschaftet. Insofern heißt es einfach dran bleiben!
Im Namen des gesamten Teams der Beringungsstation,
Sebastian Kiepsch
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