22.07.2013

Brutzeiterfassung 2013


Grauspecht (Picus canus), Weibchen, die 110. im IKEA-Biotop beringte Art
Die Brutzeit 2013 ist für viele Arten abgeschlossen und auch wir haben unsere Erfassung des Brutvogelbestands im IKEA-Biotop beendet. Wie in jedem Jahr wurde pro 10-Tage-Intervall ("Dekade") eine Beringungsaktion durchgeführt, bei der ab Sonnenaufgang über 6 Stunden gefangen wurde. Diese Intensität entspricht der Empfehlung der Vogelwarte, um dem Brutvogelbestand vor Ort keinen Schaden zuzufügen und dennoch eine möglichst genaue Bestandsermittlung zu gewährleisten.

Ausgerechnet am letzten Erfassungstag wurde "zur Belohnung" eine neue Art für das IKEA-Biotop nachgewiesen und konnte auch gefangen und beringt werden: Der Grauspecht. Dieser Laubwaldbewohner, der nur in Ausnahmefällen außerhalb der Wälder anzutreffen ist, wurde völlig überraschend in einem der Auwaldbereiche gefangen. Die Artenzahl im Biotop steigt damit auf 170, davon 110 Arten, die auch beringt werden konnten.



Das Wetter - von Hagelsturm bis Sonnenschein 

Blick vom Beobachtungsturm ins IKEA-Biotop
Nach dem Rekordwinter 2012/13, der auch im IKEA-Biotop der Vogelwelt zu schaffen machte, zeigte sich das Wetter in der Kernbrutzeit erneut von seiner hässlichen Seite. Der Mai brachte im Saartal in kurzer Zeit enorme Regenmengen und im Juni gab es zwei orkanartige Stürme mit Hagel und Starkregen, bei denen sogar einzelne Bäume im Biotop umgestürzt sind. Die Auswirkungen auf den Bruterfolg können im Augenblick noch nicht vollständig abgeschätzt werden, sicher ist aber, dass manche Arten einen Brutverlust oder Teilverluste hinnehmen mussten. Während des Herbstzugs wird man dann spätestens sehen, ob diese auch deutschlandweit ähnlichen Verhältnisse einen signifikanten Einfluss haben.
Als Kontrast zu diesen stürmischen Zeiten war der Juli ein extrem sonniger und trockener Monat mit sehr stabilem Wetter, was vielleicht für Spätbrüter positive Auswirkungen hat. Wenn sich diese Bedingungen bis zur Zugzeit nicht ändern, ist das Gebiet mit dem aktuell niedrigen Wasserstand außerdem prädestiniert für die Rast von Watvögeln.



Erste Ergebnisse - Biotopentwicklung und ihre Folgen

Eine kleine Randnotiz vorab:. Neben diesen Ergebnissen werden im Rahmen der Brutzeitberingung auch Gesangsaktivität und Beobachtungen nicht gefangener Brutvögel erfasst, was einen noch genaueren Einblick in Reviere und Brutgeschehen ermöglicht. Dabei zeigt sich vor allem ein großer Trend: Die natürliche Entwicklung der Vegetationsstruktur (Sukzession)  hat gerade im Vergleich mit dem letzten Jahr große Auswirkungen auf das Artenspektrum der Brutvögel.

Orpheusspötter (Hippolais polyglotta)
Für die Orpheusspötter im IKEA-Biotop ist die aktuelle Entwicklung ungünstig. Die wärmeliebenden Vögel bevorzugen halbhohe Hecken und Gebüsche, die meist in einem Zwischenstadium der Sukzession auftreten. Nachdem in den Vorjahren stets mindestens 4 Brutpaare festgestellt werden konnten, ist der Bestand in diesem Jahr um die Hälfte zurückgegangen. Der Orpheusspötter, der erst ab Mitte der 1980er Jahre von Südwesten nach Deutschland eingewandert ist, ist bundesweit selten und in seinem Vorkommen auf Südwestdeutschland beschränkt. Das Saarland beherbergt dabei den Großteil des deutschen Brutbestands.

Goldammer (Emberiza citrinella), links W, rechts M
Während dieser Trend von uns kritisch beobachtet wird, hat er einer Art doch genutzt. In diesem Jahr besteht starker Brutverdacht für den Neuntöter. Im Randbereich des IKEA-Biotops hat der "Greifvogel unter den Singvögeln" wohl sein Nest in einer großen Brombeerhecke gebaut. Leider konnte der Verdacht (noch) nicht durch weitere Fänge oder Beobachtungen bestätigt werden. Neuntöter erbeuten große Insekten und sogar kleine Mäuse, die sie ähnlich einer Vorratskammer auf Dornen oder Stacheldraht aufspießen.

UPDATE 04.08.2013: 
Das Neuntöter-Paar konnte Ende Juli mit frisch ausgeflogenen Jungen fütternd beobachtet werden, das Weibchen und mindestens ein Jungvogel der Brut konnten auch gefangen und beringt werden. Dies bedeutet den Brutnachweis für den Neuntöter im Gebiet!
 
Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus)
Im Zuge der Biotopentwicklung ist es von großer Wichtigkeit, dass die Spezialisten des IKEA-Biotops nicht negativ beeinflusst werden. Viele von ihnen sind auf spezielle Lebensräume innerhalb des Feuchtgebiets angewiesen und reagieren schnell auch auf kleinste Veränderungen. Gerade in diesem Zusammenhang ist es erfreulich, dass auch 2013 wieder zwei singende Drosselrohrsänger festgestellt wurden. Auch wenn diese im Saarland seltenen Schilfbewohner wie auch 2012 erneut unverpaart blieben und nicht brüteten, zeigt die Anwesenheit eines Männchens von Mai bis Anfang Juli doch, dass das Gebiet zumindest für diese Art noch hervorragend geeignet ist.



Highlights der Brutzeit - Grauspecht & Watvögel

Sperber (Accipiter nisus), Männchen
Neben den üblichen Verdächtigen gab es in diesem Jahr die eine oder andere kleine und große Überraschung. Den Anfang machten ein Rohrschwirl Anfang Mai, sowie ein zweiter Zwergtaucher Ende Mai, nachdem dieses Jahr auf dem Frühjahrszug der erste Fang seit 1999 gelang. Für den Zwergtaucher bestand kurzzeitig Brutverdacht, vermutlich verhinderte das widrige Wetter im Mai und Juni aber eine Brut im IKEA-Biotop.

Der Höhepunkt des Monats Juni war ein adultes Sperber-Männchen, das bei der Jagd ins Netz ging. Diese Greifvögel jagen überwiegend Kleinvögel und gehen dabei auch manchmal in die Netze. Zum letzten Mal war dies 2010 der Fall, damals gab es sogar drei Fänge dieser Art über das gesamte Jahr.


Der Juli schließlich war neben dem Erstnachweis des Grauspechts geprägt von Watvögeln, den sog. Limikolen. Der Herbstzug für einige Arten in dieser Artengruppe beginnt schon ab Mitte Juni. Wir konnten seitdem mit 1 Waldwasserläufer und 3 Flussuferläufern so viele fangen wie in keinem Jahr zuvor - das heißt, bisher! Der Limikolenzug erstreckt sich noch geraume Zeit und der Wasserstand ist günstig.

Waldwasserläufer (Tringa ochropus)

Ausblick - Vorfreude auf den Herbstzug


Das war also wieder die Brutzeiterfassung, doch diese geht nahtlos über in die Herbstzugberingung, die in diesem Jahr testweise schon eine Woche früher startet. Gerade die Zeit Ende Juli ist für manche Arten schon Hauptzugzeit, allerdings wurde in der Vergangenheit häufig erst Anfang August beringt. Ob das ein Fehler war und welche Überraschungen es noch geben wird, sehen wir dann in den nächsten Wochen.



Anhang - Statistik

(vgl. auch 2012)
Die Unterschiede in Fangzahlen begründen sich durch mehr Termine im letzten Jahr, als Anfang Mai noch außerplanmäßige Fangtage zur Erfassung des späten Frühjahrszugs angesetzt wurden. Außerdem wurde der letzte planmäßige Julitermin sehr spät durchgeführt, so dass bereits reges Zuggeschehen herrschte. Die absoluten Zahlen können somit nicht als Indikator für ein gutes oder schlechtes Brutjahr genutzt werden, die Rohdaten müssen noch genauer ausgewertet werden.


Nicht gefangene Brutvogelarten:

Teichhuhn - sichere Brut
Blässhuhn - sichere Brut
Stieglitz - Brutverdacht im Umfeld